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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_460/2023  
 
 
Urteil vom 31. Mai 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterinnen Hänni, Ryter, 
Bundesrichter Kradolfer, 
Gerichtsschreiberin Wortha. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
gesetzlich vertreten durch ihren Vater B.A.________, 
und dieser vertreten durch Fabrizio Keller und/oder Cristina Keller, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Amt für Volksschule und Sport, 
Quaderstrasse 17, 7000 Chur. 
 
Gegenstand 
Sonderschulung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 1. Kammer, vom 11. Juli 2023 (U 23 24). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.A.________ (geb. 2010) besuchte im Schuljahr 2022/2023 die 6. Klasse der Regelschule in U.________ und wurde integrativ sonderbeschult. Am 18. Januar 2023 beantragte der Schulpsychologische Dienst dem Amt für Volksschule und Sport des Kantons Graubünden die separative Sonderbeschulung von A.A.________ ab dem Beginn der Oberstufe im Schuljahr 2023/2024, was dieses am 14. März 2023 antragsgemäss verfügte. Dagegen erhoben die Eltern von A.A.________ als deren gesetzliche Vertreter am 27. März 2023 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Ihr Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wies das Verwaltungsgericht am 27. April 2023 ab. 
 
B.  
 
B.a. Mit Verfügung vom 28. Juni 2023 leitete der Instruktionsrichter die Duplik des Amtes für Volksschule an die Eltern von A.A.________ weiter. Darin hielt er fest, dass kein weiterer Schriftenwechsel angeordnet werde. Die Verfügung wurde den Eltern der Beschwerdeführerin am 29. Juni 2023 zugestellt.  
Am 29. Juni 2023 forderte das Verwaltungsgericht die Eltern von A.A.________ auf, das ausgefüllte Formular betreffend unentgeltliche Rechtspflege bis 10. Juli 2023 einzureichen. Es wies darauf hin, dass die Frist nicht erstreckbar sei. 
Mit Poststempel vom 10. Juli 2023 reichten die Eltern von A.A.________ eine Eingabe ein. Darin stellten sie einerseits in Bezug auf das Schreiben vom 28. Juni 2023 ein Gesuch um Einräumung einer Frist zur Geltendmachung des freigestellten Replikrechts bis 20. Juli 2023 und reichten andererseits in Beantwortung des Schreibens vom 29. Juni 2023 das Formular betreffend unentgeltliche Rechtspflege ein. Die entsprechende Eingabe ging am 12. Juli 2023 beim Verwaltungsgericht ein. 
 
B.b. Mit Urteil vom 11. Juli 2023 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, erhob keine Gerichtskosten und sprach keine Parteientschädigung zu. In der Urteilsbegründung wird der Erhalt der Eingabe vom 10. Juli 2023 quittiert. Sowohl das Formular betreffend unentgeltliche Rechtspflege als auch das als Fristerstreckungsgesuch entgegengenommene Gesuch betreffend Replikrecht werden darin als innert Frist eingereicht bestätigt. Gemäss Urteilsbegründung wurde die beantragte Fristerstreckung betreffend Replikrecht infolge nicht näherer Begründung und angesichts der Dringlichkeit des Verfahrens durch den Instruktionsrichter nicht gewährt.  
 
C.  
Mit Eingabe vom 30. August 2023 reichte A.A.________ (nachfolgend Beschwerdeführerin), gesetzlich vertreten durch ihren Vater, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Sie beantragt die Feststellung der Nichtigkeit des angefochtenen Urteils wegen gravierender Fehler, eventualiter dessen Aufhebung. In prozessualer Hinsicht beantragt sie die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung. 
Das Amt für Volksschule und Sport beantragt in seiner Vernehmlassung sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner innert erstreckter Frist eingereichten Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Ferner reicht es das Beratungsprotokoll in der Sache U 23 24 vom 11. Juli 2023 zu den Akten. 
Gestützt auf die Vernehmlassungen hält die Beschwerdeführerin an ihren Ausführungen und Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 476 E. 1; 149 II 462 E. 1.1).  
 
1.2. Beim angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. Juli 2023 handelt es sich um einen kantonalen letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). In der Sache geht es um die Frage, ob die Sonderschulung der Beschwerdeführerin integrativ oder separativ zu erfolgen hat. Die Ausnahme gemäss Art. 83 lit. t BGG (Leistungsbeurteilung) greift daher nicht (vgl. Urteil 2C_227/2023 vom 29. September 2023 E. 1.1 mit Hinweisen). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten steht somit offen.  
Für die hilfsweise erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde bleibt bei dieser Ausgangslage kein Raum (Art. 113 BGG). Auf diese ist nicht einzutreten. 
 
1.3. Als Inhaber der elterlichen Sorge steht dem Vater der Beschwerdeführerin die Vertretung seiner Tochter von Gesetzes wegen zu (Art. 304 Abs. 1 ZGB). Er ist damit zur Ergreifung des Rechtsmittels im Namen seiner Tochter berechtigt (vgl. Urteil 2C_227/2023 vom 29. September 2023 E. 1.2). Die Beschwerdeführerin, die am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat und mit ihren Begehren vor der Vorinstanz nicht durchgedrungen ist, hat ein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung des angefochtenen Entscheids durch das Bundesgericht (Art. 89 Abs. 1 BGG), da die streitige separative Sonderschulung ab dem 1. August 2023 angeordnet wurde. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 100 Abs. 1, Art. 42 BGG) ist daher einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Abgesehen von den in Art. 95 lit. c-e BGG vorgesehenen Fällen kann das Bundesgericht die Handhabung von kantonalem Recht nicht als solches prüfen, sondern lediglich daraufhin, ob dadurch Bundes-, Völker- oder interkantonales Recht verletzt wird (Art. 95 lit. a, b und e BGG; Urteile 2C_601/2023 vom 3. April 2024 E. 2.1; 2C_33/2023 vom 28. Februar 2024 E. 2.1).  
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 149 II 337 E. 2.2; 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 149 I 248 E. 3.1; 149 I 105 E. 2.1; 148 I 104 E. 1.5; 147 II 44 E. 1.2; Urteil 2C_87/2023 vom 23. Februar 2024 E. 2.1 [zur Publikation bestimmt]). 
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich (vgl. BGE 149 II 337 E. 2.3; 147 I 73 E. 2.2).  
 
3.  
Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin zu Recht der separativen Sonderschule zugeteilt wurde. Die Beschwerdeführerin macht jedoch vorab geltend, dass Verfahrensgarantien nicht eingehalten wurden. Sie rügt namentlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und sinngemäss die richtige Besetzung des Spruchkörpers (Art. 30 Abs. 1 BV). Diese Ansprüche sind formeller Natur und ihre Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels grundsätzlich zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 144 I 11 E. 5.3; 142 I 172 E. 3.2). Die Rügen sind dementsprechend vorab zu behandeln. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin macht zum einen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV geltend. Sie wirft der Vorinstanz vor, den Entscheid gefällt zu haben, ohne abzuwarten, ob die Beschwerdeführerin in der ihr laufenden Frist betreffend unentgeltliche Rechtspflege eine Eingabe sowie von ihrem unbedingten Replikrecht Gebrauch macht. 
 
4.1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht unter anderem das Recht der betroffenen Person, sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Akts zur Sache äussern und erhebliche Beweise beibringen zu können (BGE 144 I 11 E. 5.3). Er verlangt von der Behörde, dass sie die Vorbringen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt. Dies gilt für alle form- und fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 mit Hinweisen; Urteil 5A_665/2023 vom 17. Januar 2024 E. 4.2.1.1).  
Setzt das Gericht der Partei eine Frist, entscheidet aber noch während laufender Frist, so läuft die vorweggenommene Erledigung auf eine unzulässige Verkürzung der gerichtlich angesetzten Frist hinaus und verletzt damit das rechtliche Gehör. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gericht nicht bereit ist, die Sache gestützt auf die form- und fristgerecht erfolgte Eingabe - im Rahmen des geltenden Prozessrechts - neu zu beurteilen (vgl. Urteil 8C_287/2021 vom 6. Dezember 2021 E. 5.1.1 sowie Urteil 5A_665/2023 vom 17. Januar 2024 E. 4.2.1.2 betreffend gesetzlicher Frist). 
 
4.2.  
 
4.2.1. Gemäss Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Graubünden [VRG/GR, BR 370.100] ist eine Frist gewahrt, wenn die Eingabe spätestens am letzten Tag der Frist einer schweizerischen Poststelle übergeben wurde. Fristen können aus zureichenden Gründen in der Regel einmal erstreckt werden (Art. 9 Abs. 2 VRG/GR). Voraussetzung ist, dass es sich weder um eine Rechtsmittel- noch um eine ausdrücklich als peremptorisch bezeichnete Frist handelt (Art. 9 Abs. 1 VRG/GR). Das Gesuch muss vor Ablauf der Frist gestellt werden (Art. 9 Abs. 2 VRG/GR). Die Regelung entspricht der Fristenregelung auf Bundesebene (vgl. Art. 47 f. BGG; Art. 21 und 22 VwVG). Es kann daher auf die diesbezügliche Rechtsprechung abgestellt werden.  
 
4.2.2. Entscheidendes Kriterium für die Rechtzeitigkeit einer schriftlichen Eingabe ist nicht das Eintreffen der Eingabe am letzten Tag der Frist beim Gericht (sog. Empfangsprinzip), sondern deren Übergabe an die Schweizerische Post (sog. Expeditionsprinzip). Die Frist darf bis zur letzten Minute des Tages ausgeschöpft werden. Die Absenderin trägt jedoch die Beweislast für die rechtzeitige Aufgabe. Der Beweis wird in der Regel mit dem Poststempel bzw. der Quittung aus dem MyPost24-Automaten erbracht (BGE 147 IV 526 E. 3.1; 145 V 90 E. 6.1.1; 142 V 389 E. 2.2; Urteile 2C_104/2024 vom 12. März 2024 E. 3.1; 5A_972/2018 vom 5. Februar 2019 E. 4.2).  
 
4.3. Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin Frist zur Einreichung des Formulars betreffend unentgeltliche Rechtspflege und der entsprechenden Beilagen bis 10. Juli 2023 gesetzt. Die Beschwerdeführerin hatte somit bis 23:59 Uhr am 10. Juli 2023 Zeit, um ihre Eingabe der schweizerischen Post zu übergeben. Es gibt keine Vorschrift, die die Beschwerdeführerin verpflichtet hätte, ihre Versandart so zu wählen, dass die Eingabe am nächsten Tag zugestellt wird. Bei dieser Sach- und Rechtslage riskiert das Gericht regelmässig eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch einen zu frühen Entscheid, wenn es direkt am Tag nach Fristablauf entscheidet, zumal auch Eingaben mit der Versandart B-Post fristwahrend sind.  
 
4.4. Dieser Fall ist vorliegend eingetreten, als die Vorinstanz das Urteil am 11. Juli 2023, mithin einen Tag nach Ablauf der Frist, gefällt hat. Die Beschwerdeführerin hat ihre Eingabe rechtzeitig abgegeben, indem sie sie kurz vor Mitternacht des 10. Juli 2023 am MyPost24-Automat abgab. Die Eingabe ging zwar erst am 12. Juli 2023 ein, war aufgrund der Aufgabe am 10. Juli 2023 aber fristgerecht. Die Beschwerdeführerin durfte davon ausgehen, dass die Vorinstanz die von ihr selbst gesetzte, mithin gerichtliche Frist abwartet und ihre fristgerecht eingereichte Eingabe berücksichtigt. Die Vorinstanz hat somit, indem sie bereits einen Tag nach Fristablauf das Urteil fällte, die von ihr selbst gesetzte Frist unzulässig verkürzt. Sie hat damit das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt (vgl. Urteil 4D_31/2021 vom 6. Juni 2022 E. 2.2).  
Ob dasselbe gilt für das von der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin gleichzeitig eingereichte Gesuch um Ansetzung einer Frist zur Ausübung des freigestellten Replikrechts, kann an dieser Stelle offen bleiben. 
 
4.5. Allerdings ist das rechtliche Gehör nur dann tatsächlich verletzt, wenn das Gericht nicht bereit ist, die Sache gestützt auf die form- und fristgerecht erfolgte Eingabe - im Rahmen des geltenden Prozessrechts - neu zu beurteilen (vorstehend E. 4.1). Dies ist im Rahmen der zweiten Rüge der Beschwerdeführerin zu prüfen.  
 
5.  
Die Beschwerdeführerin rügt, dass das am 11. Juli 2023 gefällte Urteil nichts enthalten könne, was dem Gericht erst nach dem Urteilsspruch zur Kenntnis gelangt sei. Ansonsten hätte der Instruktionsrichter ein einzelrichterliches Urteil gefällt, aber auf dem Rubrum vorgetäuscht, das Urteil sei in ordentlicher Dreierbesetzung erfolgt. Indem der Instruktionsrichter nach Urteilsfällung allein über das nachträglich, aber rechtzeitig eingegangene Fristerstreckungsgesuch entschieden habe, habe er dem Spruchkörper wesentliche Akten vorenthalten. Die Beschwerdeführerin rügt damit sinngemäss die unrichtige Zusammensetzung des Spruchkörpers (Art. 30 Abs. 1 BV). 
 
5.1.  
 
5.1.1. Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind verboten. Der Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes Gericht umfasst das Recht, nur durch ein Gericht beurteilt zu werden, das gemäss den massgebenden Vorschriften während der gesamten Verfahrensdauer korrekt und vollständig besetzt ist (BGE 144 I 37 E. 2.1; 137 I 340 E. 2.2.1; 127 I 128 E. 4b; 125 V 499 E. 2a; Urteil 5A_523/2014 vom 13. Januar 2015 E. 2.2). Besteht eine Behörde aus einer bestimmten Zahl von Mitgliedern, so müssen - unter Vorbehalt einer abweichenden gesetzlichen Regelung - alle am Entscheid mitwirken. Die Behörde, welche in unvollständiger Besetzung entscheidet, begeht eine formelle Rechtsverweigerung (BGE 137 I 340 E. 2.2.1; 129 V 335 E. 3.1; 127 I 128 E. 4b; Urteile 1C_610/2014 vom 24. Juli 2015 E. 3.3; 2C_381/2010 vom 17. November 2011 E. 2.2, E. 2.3.5). Ein solcher Entscheid ist anfechtbar, aber nicht nichtig (BGE 140 II 141 E. 1.1; 136 I 207 E. 5.6).  
 
5.1.2. Für die Frage des Zeitpunktes der ordentlichen Besetzung ist der Zeitpunkt massgebend, in dem das Urteil gefällt wird (Urteil 5A_523/2014 vom 13. Januar 2015 E. 2.2 mit Hinweisen). Der Entscheid ist in jenem Zeitpunkt gefällt, in dem die Urteilsberatung mit einem Urteilsspruch abgeschlossen ist (vgl. 148 III 322 E. 3.7; 142 III 695 E. 4.1.4; 142 III 413 E. 2.2.5 f.; Urteile 4A_642/2014 vom 29. April 2015 E. 3.6.1; 2C_349/2012 vom 18. März 2013 E. 3.1).  
 
5.1.3. Nicht nur das Dispositiv, sondern auch die Begründung eines Entscheids muss der Meinung der Mehrheit des Spruchkörpers entsprechen (BGE 138 V 154 E. 3.4). Damit dies sichergestellt ist, müssen die beteiligten Richterinnen und Richter von der Urteilsbegründung Kenntnis nehmen und Änderungsanträge stellen können (BGE 138 V 154 E. 3.5). Sollen in die Urteilsbegründung Erwägungen aufgenommen werden, die vom Urteilsentwurf bzw. dem Beratungsergebnis abweichen, ist die Zustimmung der Mitglieder des Spruchkörpers einzuholen (vgl. BERTSCHI, in: Griffel (Hrsg.), VRG Kommentar [ZH], N 15 zu § 38). Ferner müssen allen Mitgliedern des Spruchkörpers die vollständigen Verfahrensakten bekannt sein, da sie andernfalls keine Möglichkeit haben, diese in die Entscheidfindung mit einzubeziehen (vgl. Urteil 4A_642/2014 vom 29. April 2015 E. 3.6.1).  
 
5.2. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden entscheidet in der Regel in der Besetzung mit drei Richterinnen und Richtern (Art. 43 Abs. 1 VRG/GR, Art. 18 Abs. 1 Gerichtsorganisationsgesetz des Kantons Graubünden [GOG/GR, BR 173.000]). Zur gültigen Beratung und Beschlussfassung müssen die Gerichte vollzählig besetzt sein (Art. 10 Abs. 1 GOG/GR). Das Verwaltungsgericht fällt sein Urteil in der Regel ohne Gerichtsverhandlung aufgrund der Akten (Art. 44 VRG/GR). Gemäss Art. 9 Abs. 1 GOG/GR leiten die Vorsitzenden oder die von ihnen bezeichneten Richterinnen oder Richter als Instruktionsrichterinnen oder Instruktionsrichter die Verfahren bis zum Entscheid und treffen nötigenfalls vorsorgliche Verfügungen. Bis zum Entscheid bedeutet dabei bis zum Endentscheid, der das Verfahren abschliesst (vgl. Art. 22 Abs. 1 VRG/GR; Art. 90 BGG).  
 
5.3. Der vorsitzende Richter des vorinstanzlichen Verfahrens, der gleichzeitig als Instruktionsrichter des Verfahrens amtete, führt in seiner Vernehmlassung aus, dass abweichend von der Urteilsberatung am 11. Juli 2023 einzig der "Einschub" betreffend der am 12. Juli 2023 eingegangenen Eingabe erfolgte. Die Abweisung des darin (fristgerecht) gestellten Fristerstreckungsgesuchs habe er im Rahmen seiner Funktion als Instruktionsrichter in einzelrichterlicher Zuständigkeit behandeln dürfen und dies im pflichtgemässen Ermessen getan. Aus dem Urteil ergebe sich denn auch explizit, dass der Entscheid über das Fristerstreckungsgesuch in instruktionsrichterlicher Kompetenz ergangen sei und dass nach dem 11. Juli 2023 keine Handlungen des Spruchkörpers bzw. des Gerichts erfolgt seien.  
 
5.4. Aus dem dem Bundesgericht vorliegenden Beratungsprotokoll ergibt sich, dass die Beratung in der Sache U 23 24 in Anwesenheit von Verwaltungsrichter Paganini und Verwaltungsrichterin Brun unter Vorsitz des Verwaltungsrichters Audétat und unter Mitwirkung der Aktuarin Kuster am 11. Juli 2023 stattgefunden hat. Die Beratung war um 10:40 Uhr beendet, nachdem der Entscheid getroffen worden war. Das angefochtene Urteil datiert vom 11. Juli 2023 und ist gemäss Rubrum in Dreierbesetzung unter Mitwirkung der Aktuarin ergangen. Die Besetzung des Spruchkörpers war am 11. Juli 2023 sowohl bei der Beratung als auch bei der Entscheidfällung mit drei Verwaltungsrichterinnen bzw. -richtern (vgl. vorstehend E. 5.2) korrekt und vollständig.  
 
5.5. In der Urteilsbegründung finden sich nun aber Passagen, die auf die am 12. Juli 2023 eingegangene Eingabe der Beschwerdeführerin Bezug nehmen (angefochtener Entscheid Sachverhalt Ziffer 12, E. 1.3). In diesen erklärt der Instruktionsrichter das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 10. Juli 2023, mit welchem sie um Fristansetzung zur Geltendmachung der freigestellten Replik ersuchte, als innert Frist eingegangen und nahm es als Fristerstreckungsgesuch entgegen. Da die Beschwerdeführerin das Gesuch indessen nicht näher begründet habe, schützte der Instruktionsrichter - auch angesichts der Dringlichkeit des Verfahrens - die Fristerstreckung nicht.  
Diese Erwägungen arbeitete der Instruktionsrichter nach Erhalt des Schreibens vom 10. Juli 2023 am 12. Juli 2023 in die Urteilsbegründung ein. Die anderen Mitglieder des Spruchkörpers hatten weder Kenntnis von der nach dem 11. Juli 2023 eingegangen Eingabe noch von dem Entscheid über die Abweisung oder die entsprechende Begründungsanpassung. Der Instruktionsrichter bringt in seiner Vernehmlassung explizit vor, dass nach dem 11. Juli 2023 keine Handlungen des Gerichts bzw. des Spruchkörpers mehr stattgefunden hätten. Überdies war auch er es, der das Urteil als verfahrensleitender Richter schliesslich unterzeichnete. 
 
5.6. Bei den nachträglichen Änderungen handelt es sich nicht nur um solche rein redaktioneller Natur oder von nur untergeordneter Bedeutung. Auch handelt es sich bei der Datierung des Urteils nicht um einen bloss redaktionellen Fehler, der weder Einfluss auf Urteilsdispositiv noch Begründung hat, und berichtigt werden dürfte (vgl. Urteil 1C_610/2014 vom 24. Juli 2015 E. 2). Vielmehr handelt es sich um Änderungen materieller Tragweite.  
 
5.7. Die Urteilsbegründung nach der Urteilsberatung materiell abzuändern, ohne die nach der Urteilsberatung eingegangene, aber berücksichtigte Parteieingabe und die gestützt darauf zum Nachteil der Beschwerdeführerin ergänzte Urteilsbegründung allen Mitgliedern des Spruchkörpers zur Kenntnis zu bringen und ihre Zustimmung einzuholen, erweist sich als Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV. Der Endentscheid muss im Dreiergremium gefällt werden (vorstehend E. 5.2). Die Begründung muss von der Zustimmung aller Mitglieder des Spruchkörpers gedeckt sein (vorstehend E. 5.1.3). Das ist vorliegend nicht geschehen.  
 
5.8. Nachdem der Entscheid in Dreierbesetzung ergehen musste, der Vorsitzende jedoch nach der Urteilsberatung wesentliche Änderungen ohne Mitwirkung der beiden anderen Mitglieder des Spruchkörpers in die Urteilsbegründung aufnahm, ist der Entscheid nicht in der gesetzlich vorgesehenen Besetzung ergangen. Damit verletzt die ungerechtfertigte Unterbesetzung den Anspruch der Beschwerdeführerin auf ein ordnungsgemäss besetztes Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV.  
 
6.  
 
6.1. Nach dem Gesagten ist die nachträgliche Berücksichtigung der zuvor nicht abgewarteten Eingabe durch den Instruktionsrichter nicht geeignet, die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu beheben (vorstehend E. 4.5). Der angefochtene Entscheid verletzt somit sowohl den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV als auch das Recht auf ein ordnungsgemäss besetztes Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV.  
 
6.2. Die beiden aus der Verfassung abgeleiteten Ansprüche sind formeller Natur; ihre Verletzung führt, ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache, zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Eine Heilung kommt nicht in Frage (BGE 144 I 11 E. 5.3; 142 I 172 E. 3.2; 127 I 128 E. 4d). Der angefochtene Entscheid ist deswegen aufzuheben, ohne dass die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin zu prüfen wären. Die Vorinstanz wird unter Berücksichtigung der Eingabe vom 10. Juli 2023 in der Sache eine neue Entscheidung in gesetzmässiger Besetzung treffen müssen.  
 
7.  
 
7.1. Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
7.2. Bei diesem Verfahrensausgang werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Graubünden hat dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung gegenstandslos.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 11. Juli 2023, U 23 24, wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Der Kanton Graubünden hat dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- auszurichten. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 1. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Mai 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: A. Wortha