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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_285/2024  
 
 
Urteil vom 25. Juni 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Hartmann, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Dietiker, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Regionalgericht Bern-Mittelland, 
Effingerstrasse 64, 3008 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unentgeltliche Rechtspflege (Abänderung des Kindesunterhalts), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, vom 19. März 2024 (ZK 24 50, ZK 24 51). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der Beschwerdeführer ist der Vater eines 2018 geborenen Sohnes. Die Eltern sind Staatsangehörige von Eritrea. Sie leben nicht zusammen und sind auch nicht miteinander verheiratet. Das Kind steht unter der Obhut der Mutter, welche sozialhilfeabhängig ist. Der Beschwerdeführer hat ausserdem zwei weitere Kinder aus einer früheren Beziehung. 
Mit Entscheid vom 5. April 2023 verpflichtete das Obergericht des Kantons Bern den Beschwerdeführer zu monatlichen Unterhaltszahlungen von Fr. 380.-- und stellte für das Kind eine (in verschiedenen Phasen unterschiedlich hohe) Unterdeckung fest. 
 
B.  
Mit Schlichtungsgesuch vom 31. Juli 2023 und sodann mit Abänderungsklage vom 23. November 2023 verlangte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Kindesunterhaltes infolge Umzuges in eine teurere Wohnung. Zudem stellte er für das Abänderungsverfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Mit Entscheid vom 29. Januar 2024 wies das Regionalgericht Bern-Mittelland das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Abänderungsklage ab. 
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 19. März 2024 ab. Ausserdem wies es auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das obergerichtliche Verfahren ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 3. Mai 2024 wendet sich der Vater an das Bundesgericht. Er verlangt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das erstinstanzliche Abänderungsverfahren, eventualiter die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege für das obergerichtliche Verfahren und subeventualiter die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung. Ferner stellt er Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Bei der unentgeltlichen Rechtspflege folgt der Rechtsweg demjenigen der Hauptsache (Urteile 5A_455/2020 vom 1. September 2020 E. 1; 5A_435/2021 vom 25. April 2022 E. 1.1; 5A_340/2022 vom 31. August 2022 E. 2; 5A_417/2022 vom 5. Oktober 2022 E. 1.1; 5D_188/2023 vom 11. Oktober 2023 E. 1). Bei jener handelt es sich um eine Abänderungsklage betreffend Kindesunterhalt mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert. Mithin stünde in der Hauptsache die Beschwerde in Zivilsachen offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 Abs. 1 BGG). Sie ist folglich auch für die Frage der unentgeltlichen Rechtspflege gegeben. 
 
2.  
In der Sache geht es um Folgendes: Zur Zeit des am 5. April 2023 ergangenen obergerichtlichen Entscheides zur Festsetzung des Kindesunterhalts wohnte der Beschwerdeführer in einer 1-Zimmer-Wohnung und entrichtete hierfür einen Mietzins von Fr. 999.--. Darauf basierte die Unterhaltsberechnung. Rund 1½ Monate später bezog er eine 2½-Zimmer-Wohnung mit einem Mietzins von Fr. 1'420.-- und verlangte als Folge die Aufhebung des Kinderunterhaltsbeitrages. Er begründete die Notwendigkeit einer grösseren Wohnung damit, dass er noch zwei weitere Kinder habe und mit der neuen Wohnung den persönlichen Verkehr mit den Kindern besser wahrnehmen könne. 
Das Obergericht hat erwogen, dass es bei der Abänderungsklage nur um eine Anpassung an veränderte Verhältnisse und nicht um eine Neufestsetzung gehen könne. Bereits im Unterhaltsverfahren habe der Beschwerdeführer vorgebracht, zur Wahrnehmung der Besuchsrechte auf eine grössere Wohnung angewiesen zu sein, und er habe deshalb im Zusammenhang mit der Unterhaltsberechnung die Berücksichtigung eines Betrages von Fr. 1'550.-- für seine Wohnkosten verlangt. Im obergerichtlichen Unterhaltsurteil vom 5. April 2023 sei anerkannt worden, dass der Beschwerdeführer mit seiner 1-Zimmer-Wohnung auf bescheidenem Fuss lebe; das Abstellen auf die betreffende Wohnsituation sei aber als sinnvoll erachtet und ihm deshalb ein Verbleib in der betreffenden Wohnung zugemutet worden. Vor diesem Hintergrund seien keine veränderten Verhältnisse ersichtlich, denn es seien nach wie vor drei Kinder beim Beschwerdeführer zu Besuch, wobei auch Übernachtungen stattfinden würden. Dies sei, wie im Unterhaltsurteil vom 5. April 2023 vorgesehen, in einfachen Verhältnissen möglich und zumutbar; höhere Wohnkosten seien angesichts der prekären finanziellen Verhältnisse nicht gerechtfertigt gewesen und sie seien es auch heute nicht, weil dies direkt zu Lasten des zur Deckung des angemessenen Kindesunterhaltes ohnehin völlig ungenügenden Beitrages von Fr. 380.-- ginge. 
 
3.  
Schwerpunktmässig rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 4 und Art. 286 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 117 lit. b ZPO bzw. Art. 29 Abs. 3 BV sowie eine willkürliche Auslegung der Erwägungen des abzuändernden Unterhaltsurteils vom 5. April 2023. 
 
3.1. Zum zweitgenannten Punkt bringt der Beschwerdeführer vor, die Behauptung des Obergerichtes, es habe im Unterhaltsurteil vom 5. April 2023 die geltend gemachten höheren Wohnkosten bewusst nicht berücksichtigt, weil es ihm keine grössere bzw. teurere Wohnung habe zugestehen wollen, widerspreche der dortigen Erwägung II.9.5.3, in welcher das Obergericht befunden habe: "Seine Miet- und Nebenkosten sind mit CHF 999.00 zu veranschlagen (KAB 2). Zwar lebt der Berufungsbeklagte in seiner 1-Zimmer-Wohnung auf eher bescheidenem Fuss. Das Obergericht erachtet es aber als sinnvoll, hier - wie später auch bei anderen Positionen - auf die aktuelle und mit Belegen untermauerte Situation abzustellen." Mithin habe das Obergericht es im Unterhaltsurteil als zweckmässig bzw. vernünftig erachtet, auf die zum Urteilszeitpunkt gültigen und bewiesenen Wohnkosten abzustellen. Der vom Obergericht gezogene Umkehrschluss, wonach es einen Vorbehalt angebracht hätte, wenn es die spätere Berücksichtigung höherer Wohnkosten hätte zulassen wollen, ergebe sich weder aus dem Wortlaut der seinerzeitigen Erwägung noch aus einer Auslegung nach dem Vertrauensprinzip. Folglich seien ihm damals einzig wegen fehlender Beweisbarkeit keine höheren Auslagen angerechnet worden. Das Obergericht weiche in willkürlicher Weise von seinen eigenen Erwägungen ab.  
Dass der Beschwerdeführer im Unterhaltsfestsetzungsverfahren vor beiden Instanzen geltend gemacht hatte, er wolle zur besseren Ausübung der Besuchsrechte eine grössere Wohnung beziehen, weshalb ihm ein höherer Betrag für die Wohnkosten angerechnet werden müsse, stellt er nicht in Abrede. Wenn das Obergericht jedoch angesichts der prekären finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers, welche keinen genügenden Unterhaltsbeitrag ermöglichen, erwogen hat, es sei auf die aktuellen Kosten von Fr. 999.-- abzustellen, so lässt sich dies offenkundig nicht anders interpretieren, als dass höhere Auslagen nicht im übergeordneten Kindeswohl liegen würden und deshalb nicht gerechtfertigt wären. Was an den entsprechenden obergerichtlichen Erwägungen im nunmehr angefochtenen Entscheid willkürlich sein soll, ist unerfindlich. 
 
3.2. An der Sache vorbei geht das Vorbringen, das Obergericht hätte die Angemessenheit der Wohnkosten gar nicht überprüfen dürfen, weil in einem ersten Schritt lediglich zu prüfen sei, ob veränderte Verhältnisse vorliegen würden. Es sei ein Widerspruch, zuerst veränderte Tatsachen zu verneinen und im Anschluss dennoch die Angemessenheit der Wohnkosten zu prüfen.  
Inwiefern diesbezüglich eine Verletzung von Art. 4 und Art. 286 Abs. 2 ZGB gegeben sein soll, ist nicht ersichtlich: Wie vorstehend dargestellt, hat das Obergericht in einem ersten Schritt die veränderten Verhältnisse geprüft und verneint. Dass sich die äusseren Umstände (Ausübung eines auch Übernachtungen einschliessenden Besuchsrechts gegenüber drei Kindern) kurz darauf geändert hätte, macht der Beschwerdeführer selbst nicht geltend. Davon ausgehend laufen seine Ausführungen gegen Ende der Beschwerde, eine kleine Wohnung über lange Jahre hinweg sei ihm unzumutbar und auch nicht kindgerecht, darauf hinaus, die in Rechtskraft erwachsene Unterhaltsfestsetzung als solche in Frage zu stellen und erneut aufzurollen. Wenn sich das Obergericht angesichts dieser bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren vorgetragenen Vorbringen in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Hauptsachenprognose auch noch zur Angemessenheit geäussert hat, ist darin keine die Aufhebung des Entscheides bedingende Verletzung von Bundesrecht zu erkennen. Vielmehr hat es im Kontext mit der Frage, ob die Abänderungsklage als aussichtslos betrachtet werden muss oder als aussichtsreich geltend kann, auch für den zweiten Schritt eine Antwort auf die vom Beschwerdeführer thematisierte Fragestellung gegeben. Zur obergerichtlichen Erwägung, dass angesichts der prekären finanziellen Verhältnisse auch heute einzig die ursprünglichen Wohnkosten von Fr. 999.-- als angemessen erscheinen würden und die vom Beschwerdeführer herbeigeführten Mehrkosten unbeachtlich bleiben müssten, ist deshalb festzuhalten, was in E. 3.3 folgt. 
 
3.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt es nicht im Interesse eines Kindes, dauerhaft fürsorgeabhängig zu sein (BGE 144 III 481 E. 4.7.7). Vielmehr trifft den unterhaltspflichtigen Elternteil im Zusammenhang mit der Leistung von Kindesunterhalt eine besondere Anstrengungspflicht, die es mit sich bringen kann, dass die übergeordneten Interessen des Kindes das Recht des Unterhaltspflichtigen auf freie Lebensgestaltung in verschiedener Hinsicht einzuschränken vermögen (BGE 147 III 265 E. 7.4), etwa bei der Verwirklichung beruflicher Wunschvorstellung wie Berufswechsel oder Reduktion des Arbeitspensums (Urteile 5A_280/2016 vom 18. November 2016 E. 4.4.1; 5A_90/2017 vom 24. August 2017 E. 5.3.1; 5A_561/2020 vom 3. März 2021 E. 5.1.2), bei der Umsetzung des Wunsches nach einem Wegzug an einen Ort mit tieferem Lohnniveau (Urteile 5A_90/2017 vom 24. August 2017 E. 5.3.1; 5A_273/2018 vom 25. März 2019 E. 6.3.1.2; 5A_561/2020 vom 3. März 2021 E. 5.1.2; 5A_306/2023 vom 1. Dezember 2023 E. 3.3) oder eben beim Wunsch nach einer grösseren Wohnung, denn das Interesse des Kindes an regelmässiger Unterhaltsleistung ist in der Regel höher zu gewichten als sein Interesse an einem eigenen Zimmer bei der Ausübung des Wochenendbesuchsrechts (Urteil 5A_292/2009 vom 2. Juli 2009 E. 2.3.1). Dabei ist klar, dass es sich nicht um reale physische Einschränkungen (d.h. um ein effektives Verbot eines Berufswechsels, eines Wegzuges oder eines Wohnungswechsels) handelt, sondern einfach die damit einhergehenden finanziellen Änderungen bei der Unterhaltsfestsetzung unbeachtlich bleiben und insofern kein Abänderungsgrund gegeben ist.  
Auch vor diesem materiellen Hintergrund durfte das Obergericht die Abänderungsklage ohne Verletzung von Art. 117 lit. b ZPO bzw. Art. 29 Abs. 3 BV als aussichtslos bezeichnen: Der Beschwerdeführer hat mit offenkundiger Schädigungsabsicht eine neue Wohnung bezogen, wenn er den beabsichtigten Wohnungswechsel, welcher Gegenstand des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens war und dort nicht berücksichtigt wurde, im Wissen um den rechtskräftig festgesetzten Kindesunterhalt wenige Wochen später dennoch vollzogen hat und als Folge die Aufhebung des Kindesunterhalts verlangt. Mithin haben die verursachten Mehrkosten bzw. der damit einhergehende höhere Eigenbedarf unabhängig von der Frage der Reversibilität unbeachtlich zu bleiben und ist eine Abänderung des Unterhaltsbeitrages zu verweigern (BGE 143 III 233 E. 3 betreffend mutwillige Einkommensverminderung, was mutatis mutandis auch für die mutwillige Erhöhung von Auslagen gilt). 
 
4.  
Die zahlreichen weiteren Verfassungsrügen (Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II; Art. 5, 8, 9, 12 und 29a BV) stossen ins Leere: Fehlt es an den Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege, bedeutet die Abweisung des entsprechenden Gesuches keine unrechtmässige Versperrung des Zugangs zu einem Gericht (BGE 141 I 241 E. 4). 
 
5.  
Das Obergericht hat zufolge Aussichtslosigkeit auch für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege verweigert. Diesbezüglich liegt entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers keine Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs vor, denn die Aussichtslosigkeit ergibt sich offenkundig aus den vorangegangenen ausführlichen Erwägungen des Obergerichtes zum materiellen Standpunkt des Beschwerdeführers. 
 
6.  
Mit dem Urteil in der Sache wird das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
7.  
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte der Beschwerde an das Bundesgericht von Anfang an kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. 
 
8.  
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. Juni 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli