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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_244/2024  
 
 
Urteil vom 24. Juni 2024  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Muschietti, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vollzug einer Geldstrafe, Probezeit; Entschädigung; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 24. März 2023 (SK 21 465). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Obergericht des Kantons Bern sprach den Beschwerdeführer mit Urteil vom 24. März 2023 im Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 26. Februar 2021 zweitinstanzlich von den Anschuldigungen des Diebstahls, des geringfügigen Diebstahls, evt. der geringfügigen Sachentziehung, evtl. der Veruntreuung und evtl. der unrechtmässigen Aneignung frei. Es verurteilte ihn wegen Beschimpfung, begangen am 24. Juli 2019 in Genf zum Nachteil des Privatklägers, und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 5 Tagessätzen zu Fr. 100.-- bei einer Probezeit von 2 Jahren. Dem Privatkläger sprach es (nebst anderen Gegenständen) das Bild "U.________" in Anwendung von Art. 267 Abs. 5 StPO zu und setzte dem Beschwerdeführer Frist zur Anhebung der Zivilklage an. Es regelte die Neben-, Kosten- und Entschädigungsfolgen und stellte im Übrigen die Rechtskraft des Urteils des Regionalgerichts Bern-Mittelland in diversen Punkten fest. 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde an das Bundesgericht. Er beanstandet die Anordnung einer Probezeit und die ihm zugesprochene Entschädigung für Verteidigungskosten. 
 
2.  
Die Beschwerde wurde zulässigerweise auf Französisch eingereicht (Art. 42 Abs. 1 BGG), die Verfahrenssprache ist aber Deutsch (Art. 54 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer kritisiert die angeordnete Probezeit von zwei Jahren. Die angebliche Straftat sei vor etlichen Jahren, am 24. Juli 2019, verübt worden. Er habe sich in dieser Zeit wohlverhalten. Deshalb hätte gestützt auf Art. 48 lit. e StGB auf die Ansetzung einer Probezeit verzichtet werden müssen. Die Ausführungen in der Beschwerde gehen an der Sache vorbei. Das Gesetz verpflichtet das Gericht, dem zu einer bedingten Strafe Verurteilten eine Probezeit zu bestimmen. Diese wurde vorliegend auf die gemäss Art. 44 Abs. 1 StGB minimal mögliche Dauer von zwei Jahren festgesetzt. Ein Unterschreiten der gesetzlichen Minimaldauer ist, was der Beschwerdeführer zu verkennen scheint, nicht möglich. Eine Verletzung von Bundesrecht liegt mithin nicht vor. Dies gilt auch, wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers davon ausgehen wollte, er mache mit seiner Kritik sinngemäss eine unterbliebene Strafreduktion nach Art. 48 lit. e StGB geltend, fehlte es insoweit doch am Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen (Ablauf von zwei Dritteln der Verfolgungsverjährung zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils; vgl. hierzu BGE 140 IV 145 E. 3.1). Im Übrigen fällte die Vorinstanz mit 5 Tagessätzen ohnehin bereits eine Strafe am untersten Rand des gesetzlichen Strafrahmens aus (vgl. angefochtenes Urteil S. 49 f.). 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer bezeichnet die Vergütung der Verteidigungskosten als willkürlich und Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO verletzend.  
 
4.2. Gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO hat die beschuldigte Person bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Zu den Aufwendungen im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO zählen in erster Linie die Kosten der frei gewählten Verteidigung, wenn der Beistand angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität wie auch die Höhe des Arbeitsaufwands gerechtfertigt sind (BGE 142 IV 45 E. 2.1; Urteile 7B_12/2021 vom 11. September 2023 E. 3.1.1). Ob die Beanspruchung eines Anwaltes aus einer angemessenen Ausübung der Verfahrensrechte hervorgeht und der beschuldigten Person für die Verteidigungskosten demzufolge eine Entschädigung gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO (i.V.m. Art. 436 Abs. 1 StPO) zugesprochen werden kann, ist eine Frage des Bundesrechts, die das Bundesgericht frei überprüft. Bei der Überprüfung der vorinstanzlichen Beurteilung, insbesondere der Frage, ob der geltend gemachte Aufwand vernünftig erscheint, auferlegt es sich eine gewisse Zurückhaltung (BGE 142 IV 163 E. 3.2.1; 138 IV 197 E. 2.3.6).  
Was die Höhe der Entschädigung angeht, ist zu beachten, dass sich diese nach dem am Gerichtsstand geltenden Tarif, also nach kantonalem Recht, bestimmt (BGE 142 IV 163 E. 3.1.2). Für den Kanton Bern sind insofern das Kantonale Anwaltsgesetz vom 28. März 2006 (KAG; BSG 168.11) und die Parteikostenverordnung vom 17. Mai 2006 (PKV; BSG 168.811) massgebend. Die Anwendung kantonalen Gesetzesrechts überprüft das Bundesgericht - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten hin (vgl. Art. 95 BGG; BGE 145 I 121 E. 2.1). Die Willkürrüge muss nach Art. 106 Abs. 2 BGG explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Dafür genügt es nicht, wenn die beschwerdeführende Partei einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich. Sie hat vielmehr im Einzelnen aufzuzeigen, inwiefern dieser offensichtlich unhaltbar ist (BGE 137 V 57 E. 1.3; 134 II 349 E. 3). 
Entschädigungsansprüche im Rechtsmittelverfahren richten sich gemäss Art. 436 Abs. 1 StPO nach den Bestimmungen von Art. 429-434 StPO und damit nach dem Ausgang des Rechtsmittelverfahrens (BGE 142 IV 163 E. 3.2.2 S. 170; Urteil 6B_1299/2018 vom 28. Januar 2019 E. 3.3.1). Ob bzw. inwieweit eine Partei im Sinne dieser Bestimmung obsiegt oder unterliegt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor der zweiten Instanz gestellten Anträge gutgeheissen werden (Urteil 6B_1344/2019 vom 11. März 2020 E. 2.2 mit Hinweis). 
 
4.3. Die erste Instanz entschädigte den Beschwerdeführer für die Ausübung seiner Verfahrensrechte mit Fr. 56'987.55 (Honorar inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer). Auf Berufung der Generalstaatsanwaltschaft hin überprüfte die Vorinstanz die fragliche Entschädigung und gelangte zum Schluss, diese sei masslos überhöht. In Würdigung aller wesentlichen Kriterien (wie namentlich Tatvorwürfe, beantragtes Strafmass, tatsächliche und rechtliche Komplexität der Strafsache, gewählte Mandatsführung [Vertretung durch Partner und angestellte Anwälte], Anforderungen an Sprachkompetenz der Verteidigung, Quantität/Qualität der Eingaben, Aktenumfang, Verfahrenslänge etc.) setzte sie das Honorar im Rahmen der PKV als Pauschale auf Fr. 20'000.--, entsprechend 80 Stunden bei einem durchschnittlichen Stundenansatz von Fr. 250.--, fest. Ein solches Honorar - so die Vorinstanz - hätte eine für den konkreten Fall angemessene Verteidigung erlaubt, zumal sich der gebotene Aufwand insbesondere an der Bedeutung der Strafsache und der Schwierigkeit der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse orientiere und beides vorliegend eher als unterdurchschnittlich zu bewerten sei. Es ergäben sich angemessene Verteidigungskosten (inkl. notwendige mehrwertsteuerpflichtige Auslagen) von insgesamt Fr. 24'677.55. Von diesem Honorar seien für den Schuldspruch, der gewichtsmässig einen kleinen Teil der Verfahrensthemen ausmache, Fr. 1'000.-- auszuscheiden, so dass der Beschwerdeführer mit Fr. 23'677.55 zu entschädigen sei (angefochtenes Urteil S. 58 ff.)  
Für das Berufungsverfahren erachtete die Vorinstanz eine Entschädigung (ohne mehrwertsteuerpflichtige Auslagen) von Fr. 10'255.05 als Aufwendung für die Ausübung der Verfahrensrechte als angemessen. Sie führt aus, den Erwägungen zu Obsiegen und Unterliegen in Bezug auf die Verfahrenskosten folgend entfielen 50 % der Entschädigung auf die angefochtenen Freisprüche samt Kostenfolgen und 50 % auf die durch die Generalstaatsanwaltschaft erfolgreich angefochtene Entschädigung sowie den vergeblich angefochtenen Schuldspruch samt Kostenfolgen wegen Beschimpfung. Folglich sei der Beschwerdeführer oberinstanzlich im Rahmen von 50 % für seine Verteidigerkosten zu entschädigen, ausmachend Fr. 5'127.55. Die anderen 50 % der Verteidigerkosten habe er infolge Unterliegens (erneuter Schuldspruch, Unterliegen betreffend Kostenfolgen) selber zu tragen (angefochtenes Urteil S. 67). 
 
4.4. Die Vorbringen in der Beschwerde lassen die Erwägungen der Vorinstanz weder zur Pauschalisierung und betragsmässigen Bestimmung der Entschädigung für das erstinstanzliche Verfahren noch zur Festsetzung der Vergütung nach Obsiegen und Unterliegen für das oberinstanzliche Verfahren in einem willkürlichen, ermessensverletzenden oder sonst wie bundesrechtswidrigen Licht erscheinen. Der Beschwerdeführer beantragt, er sei für das erstinstanzliche Verfahren für die Ausübung seiner Verfahrensrechte mit Fr. 56'987.55 und für das oberinstanzliche Verfahren mit zusätzlichen Fr. 5'127.55 zu entschädigen. Seine Anträge begründet er mit der Darlegung seiner eigenen Sicht, insbesondere damit, dass sich die konkrete Strafsache seiner Ansicht nach durch eine erhebliche Komplexität, eine exzessive Verfahrenslänge sowie einen überdurchschnittlichen Aktenumfang auszeichne und sich in beträchtlicher Weise auf seine gesundheitliche und finanzielle Situation auswirke bzw. ausgewirkt habe. Auf die Erwägungen der Vorinstanz, die sich im Rahmen der Regelung und Festsetzung der Entschädigung mit allen wesentlichen Gesichtspunkten ausführlich befasst, geht er hingegen nicht in einer den formellen Anforderungen ausreichenden Weise ein. Im Ergebnis legt er nur dar, von welcher Ausgangslage in Bezug auf die Entschädigungsfragen richtigerweise auszugehen wäre. Daraus ergibt sich indessen nicht, dass das zugesprochene Honorar für das erstinstanzliche Verfahren ausserhalb jeden vernünftigen Verhältnisses zum gebotenen Aufwand stehen oder in augenfälliger Weise ungerecht erscheinen würde. Insbesondere kann der Vorinstanz gefolgt werden, wenn sie dafür hält, die Streitsache sei in Bezug auf deren Bedeutung und Schwierigkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eher als unterdurchschnittlich zu bewerten. Darauf kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Gestützt auf die Beschwerdevorbringen ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die von der Vorinstanz für das Berufungsverfahren ermittelte Entschädigung bzw. die von ihr vorgenommene Ausscheidung nach Obsiegen und Unterliegen gegen das geltende Recht verstossen könnte. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt zu genügen vermag (Art. 42 Abs. 2 BGG und Art. 106 Abs. 2 BGG).  
 
5.  
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gestützt auf Art. 64 BGG wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Juni 2024 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Muschietti 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill