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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_100/2022  
 
 
Urteil vom 22. Mai 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Vettiger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Susanne Nese, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, vom 13. Juni 2022 (DGS.2022.13). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Gegen A.________ ist am Strafgericht Basel-Stadt ein Strafverfahren unter anderem wegen mehrfacher versuchter schwerer Körperverletzung, mehrfacher einfacher Körperverletzung, Tätlichkeiten, Beschimpfung und mehrfacher Drohung zum Nachteil von B.________ hängig. Gegen Letzteren ist wegen demselben Vorfall ein Verfahren unter anderem wegen Drohung zum Nachteil von A.________ hängig. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 24. Februar 2022 hat A.________ beim Strafgericht ein Ausstandsgesuch gegen die Strafgerichtspräsidentin Susanne Nese gestellt, welches das Strafgericht zuständigkeitshalber an das Appellationsgericht Basel-Stadt weitergeleitet hat. Mit Entscheid vom 13. Juni 2022 trat das Appellationsgericht mangels Rechtzeitigkeit nicht auf das Ausstandsgesuch ein. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 26. August 2022 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und Strafgerichtspräsidentin Nese in den Ausstand zu versetzen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sodann sei festzustellen, dass die Vorinstanz den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) verletzt habe. 
Das Appellationsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet und beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Strafgerichtspräsidentin Nese hat sich vernehmen lassen, ohne einen Antrag zu stellen. A.________ hat repliziert. 
Mit Verfügung vom 27. September 2022 hat das Bundesgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Am 13. Juli 2023 zeigte das Bundesgericht den Verfahrensbeteiligten einen Zuständigkeits- bzw. Abteilungswechsel an (Übergang des Verfahrens 1B_443/2022 von der I. öffentlich-rechtlichen auf die II. strafrechtliche Abteilung unter der neuen Verfahrensnummer 7B_100/2022). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80 Abs. 1 BGG), der im Rahmen eines Strafverfahrens ergangen ist. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen grundsätzlich offen (Art. 78 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid über den Ausstand, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1 BGG offensteht. Der Beschwerdeführer ist als beschuldigte Person zur Beschwerde gegen das Nichteintreten auf das von ihm gestellte Ausstandsgesuch berechtigt (siehe Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG).  
 
1.3. Da die Vorinstanz auf das Rechtsmittel des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist, beschränkt sich der Streitgegenstand auf die Eintretensfrage. Soweit der Beschwerdeführer Anträge stellt, die über eine reine Rückweisung hinausgehen, ist darauf nicht einzutreten (vgl. BGE 144 II 184 E. 1.1 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, sein Ausstandsgesuch gegen die Strafgerichtspräsidentin sei rechtzeitig erfolgt. Das Ausstandsgesuch werde unter anderem auch mit Verfügungen begründet, welche diese erst im Jahr 2022 erlassen habe. Indem sich die Vorinstanz hierzu nicht äussere, verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.  
 
2.2. Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Nach der Praxis des Bundesgerichtes sind Ausstandsgründe in der Regel innert etwa einer Woche geltend zu machen; ein Zuwarten während zwei oder mehr Wochen ist hingegen nicht zulässig (Urteile 7B_39/2023 vom 13. März 2024 E. 3.2; 7B_517/2023 vom 8. Februar 2024 E. 3.6; je mit Hinweisen). Wer einen Ausstandsgrund gegen eine Justizperson kennt, diesen aber nicht unverzüglich, sondern aus prozesstaktischen Gründen erst später geltend macht, etwa bei ungünstigem Verlauf des Verfahrens, verstösst gegen Treu und Glauben und verwirkt grundsätzlich seinen Anspruch, sich auf den Ausstandsgrund berufen zu können (BGE 121 I 225 E. 3; Urteile 7B_517/2023 vom 8. Februar 2024 E. 3.6; 1B_266/2021 vom 25. August 2021 E. 2; 1B_180/2021 vom 10. Mai 2021 E. 2.1; Urteil 1B_647/2020 vom 20. Mai 2021 E. 2; s.a. BGE 143 V 66 E. 4.3 mit Hinweisen).  
 
2.3. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, begründet der Beschwerdeführer sein Ausstandsgesuch vorwiegend mit der Verfügung vom 30. September 2021, mit welcher diese die Rückweisung der Anklageschrift an die Staatsanwaltschaft verfügte. Seiner Ansicht nach habe die Beschwerdegegnerin mit der von ihr gewählten Formulierung zu verstehen gegeben, dass sie den Beschwerdeführer härter bestrafen wolle, weshalb sie nicht mehr unvoreingenommen sei. Die Rückweisung sei "grundlos" erfolgt. Diese Rückweisungsverfügung war dem Beschwerdeführer bei der Einreichung des Ausstandsgesuchs im Februar 2022 indessen bereits mehr als ein halbes Jahr bekannt. Wenn die Vorinstanz festhält, damit sei das Gesuch deutlich verspätet eingereicht worden, verletzt sie kein Bundesrecht. Ein halbes Jahr nach Kenntnis des angeblichen Ausstandsgrunds kann nicht mehr von einem "ohne Verzug gestellten Gesuch" gesprochen werden. Daran ändert auch die Behauptung des Beschwerdeführers nichts, er habe nicht wissen können, ob gegen ihn nach der Rückweisung tatsächlich noch einmal Anklage erhoben werden würde oder nicht. Damit widerspricht er sich zum einen selbst, begründet er doch das Ausstandsgesuch unter anderem damit, dass die Beschwerdegegnerin angeblich eine härtere Bestrafung gewollt habe, weshalb sie die Anklage zurückgewiesen habe. Somit rechnete er mit einer erneuten Anklage. Zum anderen hielt die Vorinstanz fest, dem Beschwerdeführer sei bereits in der Verfügung vom 30. September 2021 in Aussicht gestellt worden, dass die beiden Verfahren, dasjenige gegen ihn und das Verfahren gegen B.________, zusammen verhandelt werden sollen, was die Behauptung des Beschwerdeführers ebenfalls widerlegt.  
 
2.4. Schliesslich ist auch der Einwand des Beschwerdeführers unbegründet, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da sie sich nicht zu seinen übrigen Einwänden hinsichtlich weiterer angeblich den Ausstand begründeter Verfügungen aus dem Jahr 2022 geäussert habe. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer stütze sich hinsichtlich der angeblichen Befangenheit der Beschwerdegegnerin hauptsächlich auf einen Grund, der ihm bereits im September 2021 bekannt gewesen sei, weshalb er auch bereits zu diesem Zeitpunkt das Ausstandsgesuch hätte stellen müssen. Unter Gehörsaspekten ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den Zeitpunkt im September 2021 als massgebend erachtet. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, warum in zeitlicher Hinsicht auf die späteren angeblich ausstandsbegründenden Verfahrenshandlungen der Beschwerdegegnerin abzustellen sei. Dies gilt umso mehr, als die vom Beschwerdeführer beanstandeten Verfahrenshandlungen, namentlich die instruktionsrichterliche Tätigkeit sowie der Verzicht auf die Rückweisung der Anklage gegen B.________ und die Gewährung der Opferrechte etc. bei objektiver Betrachtung keine besonders krassen oder ungewöhnlich häufigen Fehlleistungen darstellen, welche bei einer Gesamtwürdigung eine schwere Amtspflichtverletzungen bedeuten und sich einseitig zulasten des Beschwerdeführers auswirken, weshalb von einer Befangenheit der Beschwerdegegnerin auszugehen wäre (vgl. Urteil 7B_122/2022 vom 12. Februar 2024 E. 4 mit Hinweisen). Insofern ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwägt, selbst bei einem Eintreten auf die Beschwerde wäre diese abzuweisen gewesen.  
 
2.5. Das Appellationsgericht ist nach dem Gesagten auf das erst am 24. Februar 2022 und damit verspätet eingereichte Gesuch zu Recht nicht eingetreten.  
 
3.  
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich den vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsentscheid beanstandet und dessen Aufhebung beantragt, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz legt dar, dass sie das sinngemäss gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung aufgrund der Aussichtslosigkeit der Beschwerde abweist und deshalb dem Beschwerdeführer die Kosten auferlegt. Die pauschale Kritik des Beschwerdeführers ändert nichts an ihrer zutreffenden Beurteilung. 
 
4.  
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Begehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Mai 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier