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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_231/2024  
 
 
Urteil vom 21. Juni 2024  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiberin Lupi De Bruycker. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Erwin Leuenberger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Schaub, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren, Teilnahme am Berufungsverfahren, Zustellungsdomizil; rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 6. Februar 2024 (SST.2023.224). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Kulm stellte am 21. Juni 2023 das Verfahren gegen B.________ wegen Tätlichkeiten ein und sprach ihn vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei. Es verwies die Zivilforderungen von A.________ auf den Zivilweg, auferlegte B.________ gestützt auf Art. 426 Abs. 2 StPO die Verfahrenskosten und wies sein Entschädigungsbegehren ab. 
Dagegen erhob B.________, beschränkt auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen, Berufung. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Aargau stellte mit Urteil vom 6. Februar 2024 fest, dass das Urteil des Bezirksgerichts Kulm in Bezug auf die Verfahrenseinstellung, den Freispruch und den Verweis der Zivilforderungen auf den Zivilweg in Rechtskraft erwachsen war. Es verpflichtete A.________, B.________ eine Entschädigung von Fr. 7'216.50 für das Verfahren vor dem Bezirksgericht Kulm zu bezahlen und auferlegte ihr dessen Kosten von Fr. 2'390.--. Die Kosten des Berufungsverfahrens nahm es auf die Staatskasse. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 6. Februar 2024 sei aufzuheben. Die Sache sei zur Durchführung des Berufungsverfahrens und zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau sowie B.________ verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Soweit die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde als subsidiäre Verfassungsbeschwerde behandelt haben möchte, ist darauf nicht einzutreten. Diese ist ausgeschlossen, da mit Beschwerde in Strafsachen ebenfalls die Verletzung von Verfassungsrecht geltend gemacht werden kann (vgl. Art. 95 und Art. 113 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht zieht die Akten von Amtes wegen bei, damit ist dem prozessualen Antrag der Beschwerdeführerin auf Aktenbeizug Genüge getan.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Zur Beschwerde legitimiert ist insbesondere die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Ziff. 5; vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 248 E. 2; 137 IV 246 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).  
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung in der Sache selber getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (vgl. BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 248 E. 2; je mit Hinweisen). 
Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht, ihr sei in Verletzung des rechtlichen Gehörs die Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren verwehrt worden. Demgegenüber geht die Vorinstanz davon aus, die Beschwerdeführerin habe auf die Verfahrensteilnahme verzichtet (Urteil S. 2 Ziff. 2.2). Die Frage, ob die Vorinstanz sie zu Unrecht vom Verfahren ausgeschlossen hat, kann vom Bundesgericht überprüft werden. Die Voraussetzung von Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG ist somit erfüllt. 
Die Beschwerdeführerin ist durch den vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsentscheid zu ihren Lasten unmittelbar betroffen und hat deshalb ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG an dessen Aufhebung (vgl. BGE 138 IV 248 E. 2; Urteile 6B_459/2022 vom 20. März 2023 E. 2; 6B_620/2015 vom 3. März 2016 E. 1; je mit Hinweisen). 
 
1.3.2. Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids beim Bundesgericht einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen (Art. 44 Abs. 1 BGG). Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag (Art. 45 Abs. 1 BGG).  
Der angefochtene Entscheid wurde am 16. Februar 2024 direkt an die Beschwerdeführerin zugestellt (kantonale Akten, Akten Vorinstanz [VI] act. 108). Nachdem Rechtsanwalt Erwin Leuenberger mit Schreiben vom 20. Februar 2024 unter Hinweis auf die in den Vorakten liegende Vollmacht ebenfalls um dessen Zustellung ersucht hatte, wurde auch dieser mit einem Exemplar bedient (act. 3, Zustellung gemäss Sendungsnachverfolgung am 28. Februar 2024). 
Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, der angefochtene Entscheid sei (erst) am 28. Februar 2024 rechtsgültig zugestellt worden. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Mitteilungen der Strafbehörden an die Parteien rechtswirksam zugestellt werden, ist Gegenstand der nachfolgenden Beurteilung (E. 2) und braucht nicht vorab geklärt zu werden: Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerde in Strafsachen am Montag, 18. März 2024 (Poststempel), eingereicht. Damit ist die Beschwerdefrist von 30 Tagen in jedem Fall, d.h. unabhängig davon, ob auf die direkte Zustellung des angefochtenen Entscheids an die Beschwerdeführerin oder auf die spätere Zustellung an deren Rechtsbeistand abgestellt wird, gewahrt (vgl. Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG). 
 
1.3.3. Auf die Beschwerde in Strafsachen ist somit einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. In tatsächlicher Hinsicht ist Folgendes unbestritten: Rechtsanwalt Erwin Leuenberger wies sich in der Strafsache gegen den Beschwerdegegner gegenüber den Strafuntersuchungsbehörden und der ersten Instanz mit einer Vollmacht als Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin aus und nahm deren Interessen als Privatklägerin anlässlich der erstinstanzlichen Verhandlung wahr (kantonale Akten, Untersuchungsakten [UA] act. 1478; Gerichtsakten [GA] act. 11; VI act. 43 ff.). Sowohl im Rubrum als auch im Verteiler des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses Vertretungsverhältnis hingewiesen (kantonale Akten, GA act. 101 und act. 113).  
 
Im Berufungsverfahren stellte die Vorinstanz mit Verfügung vom 20. September 2023 die Berufungserklärung des Beschwerdegegners, welche Rechtsanwalt Erwin Leuenberger ebenfalls als Vertreter der Beschwerdeführerin aufführt, Letzteren direkt zu und setzte ihr eine Frist von 20 Tagen, um u.a. einen begründeten Antrag auf Nichteintreten zu stellen, Anschlussberufung zu erklären und (unter Annahme des Verzichts bei Säumnis) mitzuteilen, ob sie am Verfahren als Partei teilnehmen wolle (act. 3). Eine Zustellung dieser Verfügung an Rechtsanwalt Erwin Leuenberger blieb aus. Nachdem innert 20 Tagen keine Eingabe der Beschwerdeführerin eingegangen war, stellte die Vorinstanz mit Verfügung vom 23. Oktober 2023 fest, dass diese nicht mehr als Partei am Verfahren teilnehme (act. 3). Diese Verfügung sowie alle weiteren Entscheide der Vorinstanz wurden - mit Ausnahme des angefochtenen Entscheids (vgl. hierzu E. 1.3.2) - nur den beiden Beschwerdegegnern zugestellt. 
 
2.2. Die Beschwerdeführerin macht zusammengefasst geltend, Mitteilungen an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt hätten, könnten rechtsgültig nur an diesen zugestellt werden. Da die Verfügung vom 20. September 2023 ihr, nicht aber ihrem Rechtsbeistand zugestellt worden sei, hätten die darin gesetzten Fristen nie zu laufen begonnen. Eine Erklärung, wonach sie auf eine Teilnahme am Berufungsverfahren als Partei verzichte, liege weder ausdrücklich noch konkludent vor. Indem die Vorinstanz zu Unrecht von einem Verzicht auf die Verfahrensteilnahme ausgegangen sei, habe sie ihre Parteirechte nicht ausüben können. Darin liege eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs (Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO, Art. 29 Abs. 2 BV). Dieser Mangel könne im bundesgerichtlichen Verfahren nicht wieder gutgemacht werden, weshalb der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Durchführung des Berufungsverfahrens sowie zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen sei.  
 
2.3. Gemäss Art. 87 StPO sind Mitteilungen den Adressatinnen und Adressaten an ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort oder an ihren Sitz zuzustellen (Abs. 1). Parteien und Rechtsbeistände mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland haben in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu bezeichnen; vorbehalten bleiben staatsvertragliche Vereinbarungen, wonach Mitteilungen direkt zugestellt werden können (Abs. 2). Mitteilungen an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, werden rechtsgültig an diesen zugestellt (Abs. 3). Hat eine Partei persönlich zu einer Verhandlung zu erscheinen oder Verfahrenshandlungen selbst vorzunehmen, so wird ihr die Mitteilung direkt zugestellt. Dem Rechtsbeistand wird eine Kopie zugestellt (Abs. 4).  
Die Vorschriften über die Eröffnung und Zustellung von Entscheiden (Art. 84 ff. StPO) gelten auch im Rechtsmittelverfahren (BGE 148 IV 362 E. 1.2; Urteile 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.4.2; 6B_652/2013 vom 26. November 2013 E. 1.4.2). Der Beweis ordnungsgemässer Zustellung bzw. Eröffnung sowie deren Datums obliegt der Behörde, die daraus rechtliche Konsequenzen ableiten will (vgl. BGE 144 IV 57 E. 2.3; 142 IV 125 E. 4.3; Urteil 6B_271/2021 vom 12. Mai 2021 E. 4.1; je mit Hinweisen). Die Zustellungsregeln bezwecken, die Rechtssicherheit und Verfahrensökonomie zu gewährleisten (vgl. BGE 144 IV 64 E. 2.5, in: Pra 2018 Nr. 150; Urteile 6B_304/2019 vom 22. Mai 2019 E. 2.3.4; 6B_1006/2018 vom 15. Januar 2019 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
Art. 87 Abs. 1 StPO stellt die Regel dar, die durch Abs. 2 und Abs. 3 eingeschränkt wird, indem Abs. 2 den Parteien und Rechtsbeiständen mit Wohnsitz, gewöhnlichem Sitz, gewöhnlichem Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland die Bezeichnung eines Zustellungsdomizils in der Schweiz vorschreibt und Abs. 3 trotz eines allfälligen Zustellungsdomizils nach Abs. 1 die Zustellung an deren Rechtsbeistand vorschreibt. Abs. 4 nimmt Bezug auf die Pflicht der Partei zum persönlichen Erscheinen an einer Verhandlung oder zur persönlichen Vornahme von Verfahrenshandlungen und sieht vor, dass in einem solchen Fall die Mitteilung direkt der Partei zuzustellen ist, selbst wenn diese einen Rechtsbeistand bestellt hat. Diese Bestimmung schränkt folglich die in Art. 87 Abs. 3 StPO statuierte Regel ein. Diese Systematik zeigt deutlich auf, dass die Zustellung an den bestellten Rechtsbeistand die Regel (Art. 87 Abs. 3 StPO) und die Zustellung an die Partei trotz dieses Rechtsbeistandes die Ausnahme ist (vgl. BGE 144 IV 64 E. 2.5, in: Pra 2018 Nr. 150; Urteil 6B_1006/2018 vom 15. Januar 2019 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
Art. 87 Abs. 3 StPO ist zwingender Natur und lässt keinen Raum für einen von der vertretenen Partei oder deren Rechtsbeistand angebrachten Vorbehalt, wonach Mitteilungen in der Sache, für welche der Rechtsbeistand bestellt worden ist, direkt an die vertretene Partei zugestellt werden können. Ist ein Rechtsbeistand bestellt, müssen Mitteilungen an diesen zugestellt werden, ansonsten sie ungültig sind (vgl. BGE 144 IV 64 E. 2.5, in: Pra 2018 Nr. 150; Urteile 6B_1393/2021 vom 22. Juni 2022 E. 2.2; 6B_304/2019 vom 22. Mai 2019 E. 2.3.4; je mit Hinweisen). 
 
2.4.  
 
2.4.1. Die vor erster Instanz ins Recht gelegte Vollmacht, welche die Beschwerdeführerin Rechtsanwalt Erwin Leuenberger erteilt hat, schliesst insbesondere "die Vertretung vor allen Gerichten" und "das Ergreifen von Rechtsmitteln" ein (kantonale Akten, GA act. 11). Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin diese Vollmacht nach der vorinstanzlichen Rechtshängigkeit beschränkt oder widerrufen hat. Das Mandat des Rechtsbeistandes erstreckte sich somit auch auf die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren, was aus den Verfahrensakten klar hervorgeht.  
 
2.4.2. Haben Parteien einen Rechtsbeistand bestellt, müssen Mitteilungen der Strafbehörden nach Art. 87 Abs. 3 StPO an diesen zugestellt werden, ansonsten sie ungültig sind (vgl. hierzu E. 2.3). Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Fallkonstellationen betrafen Wahl- und Pflichtverteidigungen beschuldigter Personen. Nach dem Wortlaut von Art. 87 Abs. 3 StPO bezieht sich die Bestimmung jedoch auf alle Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, weshalb sie auch vorliegend Anwendung findet (vgl. Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO).  
Den zitierten Entscheiden ist im Weiteren - im Unterschied zur vorliegenden Konstellation - gemeinsam, dass die Mitteilung dem Rechtsbeistand der Partei zugestellt wurde, Letztere sich aber auf den Standpunkt stellte, nur die direkt an sie erfolgte Zustellung könne fristauslösend sein. Diese Rechtsauffassung wurde höchstrichterlich mit Blick auf den klaren Wortlaut und zwingenden Charakter von Art. 87 Abs. 3 StPO stets verworfen (vgl. E. 2.3). Eine vertretene Partei kann sich hinsichtlich des Fristenlaufs nicht auf eine solche Direktzustellung berufen. Im Umkehrschluss kann ihr eine solche aber vom Staat auch nicht entgegengehalten werden. Eine Partei, die in einem Strafverfahren ihre Interessen nicht (bzw. nicht ausschliesslich) selbst wahrnehmen will oder kann und deshalb einen Rechtsbeistand bestellt, darf sich darauf verlassen, dass das Vertretungsverhältnis vom Staat berücksichtigt und nicht mit einer Direktzustellung untergraben wird. Es liegt in der alleinigen Verantwortung der mitteilenden Strafbehörde, eine korrekte, den gesetzlichen Formvorschriften entsprechende Zustellung an die Parteien sicherzustellen. Sobald ein Rechtsbeistand bestellt ist, kann die Zustellung deshalb nur an diesen gültig erfolgen. Diese Zustellregel ist vorliegend missachtet worden. Die Zustellung der vorinstanzlichen Verfügung vom 20. September 2023 ist ausschliesslich an die Beschwerdeführerin und somit ungültig erfolgt. Sie hat keine Rechtswirkung entfaltet. Sie vermochte demnach weder die Frist im Sinne von Art. 400 Abs. 3 StPO (Antrag auf Nichteintreten, Erklärung der Anschlussberufung) noch jene zur Stellungnahme, ob die Beschwerdeführerin am vorinstanzlichen Verfahren teilnehmen wolle, auszulösen. 
 
2.4.3. Die Frage, ob bzw. inwiefern die tatsächliche Kenntnisnahme der vorgenannten Verfügung durch den bestellten Rechtsbeistand mit einer rechtsgültigen Zustellung gemäss Art. 87 Abs. 3 StPO gleichgesetzt werden kann, stellt sich nur, wenn eine solche erwiesen ist. Wenn hingegen - wie vorliegend - weder dargetan noch aus den Akten ersichtlich ist, dass die Partei die Verfügung an ihren bestellten Rechtsbeistand weitergeleitet und dieser davon Kenntnis erlangt hat, erübrigen sich hierzu weitere Ausführungen.  
 
2.4.4. Die direkte Zustellung der vorinstanzlichen Verfügung vom 20. September 2023 an die Beschwerdeführerin verletzt die zwingende Bestimmung von Art. 87 Abs. 3 StPO. Sie ist ungültig und hat keine Rechtswirkung entfaltet. Die Vorinstanz nahm zu Unrecht an, die Säumnisfolgen seien eingetreten und die Beschwerdeführerin habe (konkludent) auf eine Verfahrensteilnahme verzichtet. Sie verwehrte ihr auf diese Weise das rechtliche Gehör hinsichtlich aller Aspekte des Berufungsverfahrens.  
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Durchführung des Berufungsverfahrens sowie zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kanton Aargau trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegner hat auf eine Stellungnahme verzichtet, weshalb ihm auch keine Kosten aufzuerlegen sind. Der Kanton Aargau hat die Beschwerdeführerin für ihre Aufwendungen im bundesgerichtlichen Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 6. Februar 2024 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Durchführung des Berufungsverfahrens und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. Juni 2024 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lupi De Bruycker