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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_52/2023  
 
 
Urteil vom 14. Mai 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Mehtap Giunuzoglu, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Schwere Gewaltkriminalität, 
Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich. 
 
Gegenstand 
Erstellung eines DNA-Profils, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 20. Februar 2023 (UH220295-O/U/HEI). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft | des Kantons Zürich, Schwere Gewaltkriminalität, führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen sexueller Handlungen mit Kindern, sexueller Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt und weiterer Delikte. Sie wirft ihm vor, an einer Vierzehnjährigen diverse sexuelle Handlungen, einschliesslich Geschlechtsverkehr, gegen Entgelt vorgenommen zu haben und ihr körperliche Gewalt angetan zu haben. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft ordnete mit Verfügung vom 24. August 2022 die Erstellung eines DNA-Profils von A.________ bzw. die Verlängerung der Löschfrist seines DNA-Profils an. Gegen diese Verfügung erhob A.________ Beschwerde bei der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich. Diese wies die Beschwerde mit Beschluss vom 20. Februar 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ vor Bundesgericht, der Beschluss vom 20. Februar 2023 und die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 24. August 2022 seien aufzuheben. "Eventualiter" seien der Wangenschleimhautabstrich und ein "allenfalls erstelltes" DNA-Profil umgehend zu vernichten bzw. ein bereits vorgenommener Eintrag im "DNA-Profil-Informationssystem" zu löschen. Subeventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft haben auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer strafrechtlichen Angelegenheit, gegen den die Beschwerde in Strafsachen grundsätzlich offensteht (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG). Die strittige Zwangsmassnahme dient nicht der Aufklärung der Straftaten, deren der Beschwerdeführer im laufenden Strafverfahren verdächtigt wird, sondern wurde mit Blick auf allfällige andere - bereits begangene oder künftige - Delikte angeordnet. Ihr kommt somit eine über das Strafverfahren hinausgehende eigenständige Bedeutung zu. Der vorinstanzliche Entscheid ist deshalb praxisgemäss als Endentscheid zu behandeln, der nach Art. 90 BGG anfechtbar ist (Urteile 1B_259/2022 vom 23. Juni 2023 E. 1; 1B_217/2022 vom 15. Mai 2023 E. 1; je mit Hinweisen). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
Die per 1. Januar 2024 in Kraft getretene Gesetzesänderung betreffend DNA-Probenahme und -Profilerstellung hat keine Auswirkungen auf das vorliegende Urteil. Das Bundesgericht prüft im Rahmen der strafrechtlichen Beschwerde nämlich nur, ob die kantonale Instanz das Bundesrecht richtig angewendet hat, mithin jenes Recht, welches die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid anwenden musste (vgl. Urteil 7B_152/2024 vom 19. Februar 2024 E. 1.2 mit Hinweisen). Massgebend für die Beurteilung der bundesgerichtlichen Beschwerde sind damit weiterhin die DNA-Probenahme und -Profilerstellungsbestimmungen, wie sie bis zum 31. Dezember 2023 galten. 
 
3.  
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer bestreitet den von der Vorinstanz bejahten hinreichenden Tatverdacht nicht, rügt jedoch eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips und der Unschuldsvermutung nach Art. 10 Abs. 1 StPO, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Er macht geltend, allein aufgrund der gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe könne nicht geschlossen werden, er habe "generell" sexuelle Kontakte zu Minderjährigen. Er sei nicht einschlägig vorbestraft und ihm würden auch keine anderen Straftaten vorgeworfen. Er bestreite zwar nicht, dass er die B.________-App genutzt habe, und es möge zutreffen, dass gewisse Nutzer dieser App Kontakt zu deutlich jüngeren Frauen suchten; dies treffe aber auch auf erwachsene junge Frauen zu, ausserdem werde die App auch von älteren Frauen genutzt. Es gebe keine Hinweise dafür, dass er über diese App Minderjährige suche bzw. gesucht habe, oder dass er eine pädophile Neigung habe. Auf seinem Mobiltelefon seien daher auch keine "verbotenen Inhalte" gefunden worden. Er fühle sich sexuell eher zu älteren Frauen hingezogen. Die Aussagen der Geschädigten, wonach der Betreiber der B.________-App um ihr Alter gewusst und ihr mitgeteilt habe "je jünger, desto besser, mehr Geld und so...", seien, was ihn (den Beschwerdeführer) betreffe, irrelevant. Im Übrigen habe die Staatsanwaltschaft anstelle von Haft lediglich ein Kontaktverbot zur Geschädigten beantragt, was die Staatsanwaltschaft wohl nicht getan hätte, wenn sie ernsthaft befürchtet hätte, er würde noch weitere Delikte begehen. Ferner habe die Staatsanwaltschaft - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - ihre Verfügung vom 24. August 2023 nicht hinreichend begründet. Dies verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.  
 
4.2. Nach aArt. 255 Abs. 1 lit. a StPO kann von der beschuldigten Person zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens eine Probe genommen und ein DNA-Profil erstellt werden. Die Strafbehörden können diese Zwangsmassnahmen nicht nur zur Aufklärung bereits begangener und ihnen bekannter Delikte anordnen. Wie aus aArt. 259 StPO i.V.m. der bis 31. Juli 2023 gültigen Fassung von Art. 1 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen (DNA-Profil-Gesetz; SR 363) hervorgeht, soll die Erstellung eines DNA-Profils vielmehr auch erlauben, Täterinnen und Täter von Delikten zu identifizieren, die den Strafbehörden noch unbekannt sind. Dabei kann es sich um vergangene oder künftige Delikte handeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dient aArt. 255 Abs. 1 lit. a StPO auch bei solchen Straftaten als gesetzliche Grundlage für die DNA-Probenahme und DNA-Profilerstellung (BGE 147 I 372 E. 2.1; 145 IV 263 E. 3.3; Urteil 7B_119/2022 vom 21. August 2023 E. 3; je mit Hinweisen). Die Bestimmung ermöglicht aber nicht bei jedem hinreichenden Tatverdacht die routinemässige Entnahme und Analyse von DNA-Proben (BGE 147 I 372 E. 2.1; 145 IV 263 E. 3.4; je mit Hinweisen).  
Die DNA-Probenahme und -Profilerstellung können die Rechte der betroffenen Person auf persönliche Freiheit bzw. körperliche Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV) und auf informationelle Selbstbestimmung berühren (Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 EMRK; BGE 147 I 372 E. 2.2 ff.; 145 IV 263 E. 3.4; je mit Hinweisen). Einschränkungen von Grundrechten bedürfen gemäss Art. 36 Abs. 1 bis 3 BV einer gesetzlichen Grundlage und müssen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Diese Voraussetzungen werden in Art. 197 Abs. 1 StPO präzisiert. Danach können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (lit. b), die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (lit. d). Nach der Rechtsprechung ist die Erstellung eines DNA-Profils, soweit sie nicht der Aufklärung der Straftaten eines laufenden Strafverfahrens dient, nur dann verhältnismässig, wenn erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere - auch künftige - Delikte verwickelt sein könnte. Es muss sich zudem um Delikte von einer gewissen Schwere handeln (BGE 145 IV 263 E. 3.4 mit Hinweisen; vgl. BGE 147 I 372 E. 4.2). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die beschuldigte Person vorbestraft ist; trifft dies nicht zu, schliesst das die Erstellung des DNA-Profils jedoch nicht aus, sondern es fliesst als eines von vielen Kriterien in die Gesamtabwägung ein und ist entsprechend zu gewichten (BGE 145 IV 263 E. 3.4 mit Hinweisen; Urteile 1B_230/2022 vom 7. September 2022 E. 2.2; 1B_171/2021 vom 6. Juli 2021 E. 4.1; je mit Hinweisen). Bei der Beurteilung der erforderlichen Deliktsschwere kommt es weder einzig auf die Ausgestaltung als Antrags- bzw. Offizialdelikt noch auf die abstrakte Strafdrohung an. Vielmehr sind das betroffene Rechtsgut und der konkrete Kontext miteinzubeziehen. Eine präventive Erstellung eines DNA-Profils erweist sich insbesondere dann als verhältnismässig, wenn die besonders schützenswerte körperliche bzw. sexuelle Integrität von Personen bzw. unter Umständen auch das Vermögen (Raubüberfälle, Einbruchdiebstähle) bedroht ist. Es müssen mithin ernsthafte Gefahren für wesentliche Rechtsgüter drohen (Urteile 1B_259/2022 vom 23. Juni 2023 E. 4.3; 1B_171/2021 vom 6. Juli 2021 E. 4.3 mit Hinweisen). 
 
4.3. Die Beschwerde ist unbegründet. Zunächst ist keine Verletzung der Begründungspflicht auszumachen, denn die Staatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 24. August 2023 knapp, aber nachvollziehbar begründet, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erstellung eines DNA-Profils erfüllt seien. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid keine Verletzung des rechtlichen Gehörs feststellt. Des Weiteren ist die Erstellung des DNA-Profils verhältnismässig: Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten richten sich gegen die Rechtsgüter der körperlichen und sexuellen Integrität und sind als Delikte einer gewissen Schwere im Sinne der Rechtsprechung zu qualifizieren. Sodann verletzt die Vorinstanz nicht Bundesrecht, wenn sie aufgrund der Aussagen der Geschädigten davon ausgeht, dass die B.________-App (zumindest teilweise) von Nutzern dazu verwendet wird, Minderjährige zu kontaktieren, um an diesen sexuelle Handlungen vorzunehmen. Der Beschwerdeführer rügt diesbezüglich keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. Obschon der Beschwerdeführer nicht einschlägig vorbestraft ist, durfte die Vorinstanz angesichts der schweren Tatvorwürfe gegen ihn und seiner Nutzung der B.________-App davon ausgehen, dass konkrete und erhebliche Anhaltspunkte für die Begehung von weiteren, allenfalls auch künftigen Straftaten einer gewissen Schwere bestehen. Damit ist die Verhältnismässigkeit der DNA-Profilerstellung zu bejahen.  
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Mai 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern