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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_51/2024  
 
 
Urteil vom 2. Juli 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie C. Elms, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 11. Dezember 2023 (S 2021 172). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1963 geborene A.________ stürzte am 25. August 2015 im Betrieb seiner Arbeitgeberin auf die rechte Schulter. Am 13. Juni 2016 meldete er sich zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Zug zog die Akten der obligatorischen Unfallversicherung bei. Gemäss Bericht der Dres. med. B.________ und C.________, Fachärzte FMH für Orthopädische Chirurgie vom 28. Oktober 2015 erlitt der Versicherte eine Schultergelenkskontusion rechts mit Supraspinatussehnenruptur und Infraspinatusläsion. Diese Verletzungen wurden am 1. Februar 2016 und am 20. Januar 2017 operativ versorgt. 
Die IV-Stelle gewährte A.________ Massnahmen zur Erhaltung des angestammten Arbeitsplatzes, zu denen die Arbeitgeberin Hand bot. Nach Abbruch der Wiedereingliederung per 13. Juli 2018 und Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasste die Verwaltung eine auf allgemein-innermedizinischen, orthopädischen und psychiatrischen Untersuchungen beruhende Begutachtung bei der medaffairs AG, Basel (Expertise vom 23. Dezember 2020). Gestützt darauf sprach sie dem Versicherten mit Verfügung vom 12. November 2021 eine vom 1. Februar 2017 bis 30. September 2019 befristete ganze Invalidenrente zu. 
 
B.  
Hiegegen liess A.________ Beschwerde einreichen. Mit Verfügung vom 13. September 2023 eröffnete ihm das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, es sei möglich, dass die angefochtene Verfügung zu seinen Ungunsten abgeändert werde (reformatio in peius). Es gab ihm gleichzeitig Gelegenheit, die Beschwerde zurückzuziehen. Mit Urteil vom 11. Dezember 2023 wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab und passte die Verfügung der IV-Stelle vom 12. November 2021 dahingehend an, dass A.________ lediglich für den Zeitraum ab 1. Februar bis 31. Juli 2017 Anspruch auf eine befristete ganze Invalidenrente habe. 
 
C.  
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei ihm über den 31. Juli 2017 hinaus eine Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache an das kantonale Gericht oder an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht ordnet keinen Schriftenwechsel an. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es dem Beschwerdeführer eine befristete statt unbefristete Invalidenrente zusprach.  
 
2.2. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535).  
Die Verfügung der Beschwerdegegnerin erging vor dem 1. Januar 2022 und der zur Diskussion stehende Rentenanspruch war bereits davor entstanden. Daher sind unbestrittenermassen die bis 31. Dezember 2021 geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (vgl. BGE 148 V 174 E. 4.1). 
 
2.3. Das kantonale Gericht legte die zur Beurteilung des Streitgegenstandes anzuwendenden rechtlichen Grundlagen zur Revision der Invalidenrente und die in diesem Zusammenhang zu beachtenden Grundsätze zutreffend dar (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 141 V 9 E. 2.3 mit Hinweisen; zum massgeblichen Vergleichszeitpunkt: BGE 133 V 108 E. 5.4 1). Richtig sind auch seine Ausführungen zu den rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend die Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit (Art. 6 f. ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) sowie die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art. 28 IVG). Gleiches gilt bezüglich des massgebenden Beweisgrads der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 51 E. 5.1) und des Beweiswerts ärztlicher Berichte (BGE 125 V 351 E. 3a). Darauf wird verwiesen.  
 
2.4. Zu wiederholen ist das Folgende: Sofern eine lang andauernde und erhebliche Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird, setzt die rückwirkende Zusprache einer befristeten Invalidenrente in der Regel das Vorhandensein von Revisionsgründen voraus, also dass noch vor Erlass der Rentenverfügung eine anspruchserhebliche Änderung eingetreten ist (BGE 148 V 321 E. 7.3.1; 145 V 215 V 215 E. 8.2; 145 V 209 E. 5.3). Bei einer rückwirkend zugesprochenen befristeten oder abgestuften Rente bilden einerseits der Zeitpunkt des Rentenbeginns und anderseits der in Anwendung der Dreimonatsfrist von Art. 88a IV festzusetzende Zeitpunkt der Anspruchsänderung die massgebenden Vergleichszeitpunkte (Urteile 8C_285/2020 vom 15. September 2020 E. 5.1 und 9C_687/2018 vom 16. Mai 2019 E. 2).  
 
3.  
 
3.1.  
 
3.1.1. Die Vorinstanz erkannte, zur Beurteilung des Gesundheitszustands und der Arbeits (un) fähigkeit sei auf das beweiskräftige polydisziplinäre Gutachten der medaffairs AG vom 23. Dezember 2020 abzustellen. Danach bestünden verschiedene orthopädische Diagnosen mit protrahiertem Heilungsverlauf nach mehreren Schulteroperationen. Dem Versicherten seien Arbeitstätigkeiten mit Heben oder Halten von Gewichten über 2.5 kg körpernah und über 2 kg körperfern nicht mehr zumutbar. Ebenso vermöge er Verrichtungen, die mit vermehrter Vibrationsbelastung, repetitiven feinmotorischen Anforderungen, mit in Zwangshaltung, dauerhafter Armabduktion oder -flexion sowie in dauerhaft vornübergebeugter oder zurückgelehnter Haltung nicht mehr auszuüben. Den angestammten Beruf als Lagermitarbeiter habe er seit der ersten Schulteroperation vom 1. Februar 2016 nicht mehr zu bewältigen vermocht. Indes sei er grundsätzlich in einer dem genannten Belastungsprofil entsprechenden Erwerbstätigkeit immer vollumfänglich arbeitsfähig gewesen. Diesbezüglich sei einzig zu berücksichtigen, dass es nach den verschiedenen Operationen an den Schultern jeweils zu mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeiten gekommen sei. Aus der tabellarischen Aufstellung der Gutachter folge eine durchgehende vollständige Arbeitsunfähigkeit bis circa zum 20. April 2017 sowie - nach längerem Unterbruch - erneut ab 6. September 2018 postoperativ. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ergäben sich keine Unklarheiten im medizinischen Sachverhalt, die nachträglich erhellt werden müssten. Die Experten hätten vielmehr in aller wünschenswerten Deutlichkeit festgehalten, dass eine Arbeitsunfähigkeit in leidensangepasster Tätigkeit unter Berücksichtigung der angegebenen Beschwerden und der objektivierbaren Einschränkungen nie bestanden habe, sondern sich lediglich jeweils während der postoperativen Rekonvaleszenz-Phasen eine Arbeitskarenz aufgedrängt habe. Dies lasse sich ohne Weiteres nachvollziehen, zumal allgemein bekannt sei, dass nach chirurgischen Eingriffen meist mehr oder weniger lange Perioden der körperlichen Schonung einzuhalten seien. Insgesamt bestehe kein Anlass, ein Gerichtsgutachten einzuholen oder die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.  
 
3.1.2. Weiter hielt die Vorinstanz fest, das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Gutachter hätten verkannt, welche Tätigkeiten er während den Integrationsmassnahmen verrichtet habe, gehe fehl. Zwei Mal sei versucht worden, ihn im bisherigen Betrieb wieder einzugliedern. Namentlich die ergonomischen Anforderungen am angestammten Arbeitsplatz hätten nicht genügend umgesetzt werden können. Die Arbeitgeberin habe danach ab Juni 2018 eigens für den Beschwerdeführer eine neue, unter Berücksichtigung seiner Leiden ausgestaltete Tätigkeit als Staplerfahrer geschaffen. Diese berufliche Eingliederung habe abgebrochen werden müssen, weil der Hausarzt dem Beschwerdeführer - notabene ohne Kenntnis der neu geschaffenen, ergonomisch angepassten Stelle - zunächst eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % und ab dem 30. Juni 2018 von 100 % attestiert habe. Damit habe nicht erprobt werden können, ob die neue Arbeitstätigkeit entsprechend dem durch die Gutachter sowie die ergonomischen Abklärungen zum statuierten Profil umsetzbar und in vollem Umfang zumutbar gewesen wären.  
 
3.1.3. Sodann erwog das kantonale Gericht, spätestens ab dem 20. April 2017 (drei Monate nach der zweiten Operation an der rechten Schulter) habe keine voraussichtlich längere Zeit dauernde "Erwerbsunfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit" mehr bestanden. Die Schulterproblematik rechts sei in diesem Zeitpunkt austherapiert gewesen und die - zweifellos vorhandene - Residualsympomatik habe gemäss Gutachten einer Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit nicht entgegen gestanden. Damit hätten sich die gesundheitlichen Verhältnisse offensichtlich entscheidend geändert, so dass klar ein Revisionsgrund vorgelegen habe. Der Rentenanspruch sei mithin bis zum 31. Juli 2017 zu befristen, da die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit spätestens ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen sei, in dem sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert habe und voraussichtlich weiter andauern werde (Art. 88a Abs. 1 IVV). Daran ändere die Operation im Herbst 2018 an der linken Schulter nichts, habe diese doch nur eine kurze Zeit dauernde Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt.  
Weiterungen zur Umsetzbarkeit des konkreten Belastungsprofils, so die Vorinstanz abschliessend, erübrigten sich, nachdem die langjährige Arbeitgeberin in der Lage und bereit gewesen sei, eine optimal angepasste Arbeitsstelle für den Beschwerdeführer einzurichten. Dieser mache denn auch zu Recht nicht geltend, dass eine Arbeitstätigkeit entsprechend dem gutachterlichen Belastungsprofil auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nicht existiere. 
 
3.2. Mit seinen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht zu begründen, dass die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich unrichtig oder unvollständig wären (vgl. E. 1 hievor). Entgegen seiner Auffassung lässt sich dem Bericht des Hausarztes vom 20. Juni 2018 und dem Attest vom 30. Juni 2018 nicht entnehmen, dass er sich bei der Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit von 50 beziehungsweise 100 % auf den von der Arbeitgeberin im Juni 2018 neu geschaffenen Arbeitsplatz bezog. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das kantonale Gericht sich in diesem Zusammenhang anmasste, die Arbeitsfähigkeit medizinisch beurteilt zu haben. Damit entbehrt auch der Einwand, es habe kein Revisionsgrund im Sinn von Art. 17 Abs. 1 ATSG vorgelegen, jeglicher Grundlage. Hinzuzufügen ist, dass Streitgegenstand bildet, ob sich der Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit ab dem 20. April 2017 und nicht ab Juli 2019 revisionsrechtlich erheblich verbessert hatten. Von letzterem war die Beschwerdegegnerin in der Verfügung vom 12. November 2021 zu Gunsten des Beschwerdeführers unzutreffend und entgegen ihrer Grundhaltung ausgegangen, wie das kantonale Gericht zutreffend feststellte. Im Übrigen räumt der Beschwerdeführer ein, dass die langjährige Arbeitgeberin ab 1. Juni 2018 einen eigens für ihn ergonomisch angepassten Arbeitsplatz schuf, den er einzig wegen der klar nicht zu berücksichtigenden Einschätzung der Arbeitsfähigkeit des Hausarztes verliess.  
 
3.3. Zur Bemessung des Invaliditätsgrades äussert sich der Beschwerdeführer nicht, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist. Insgesamt ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
4.  
Der Beschwerdeführer hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. Juli 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder