Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_27/2023  
 
 
Urteil vom 5. Mai 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
nebenamtliche Bundesrichterin Wasser-Keller, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Kunz, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einfache Verletzung der Verkehrsregeln, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 17. November 2022 (STBER.2022.40). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ fuhr am 22. Juli 2020, um 18.30 Uhr, auf der Oltenstrasse in Egerkingen in Fahrtrichtung Hägendorf einen Personenwagen. Mit Strafbefehl vom 17. September 2020 warf ihr die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vor, sie habe dabei ihr Mobiltelefon in der rechten Hand neben dem Lenkrad gehalten und habe während ein bis zwei Sekunden mit leicht gesenktem Kopf auf das Telefon geblickt (Fahrstrecke ca. 20 Meter, Geschwindigkeit ca. 50 km/h), ohne Schwenker oder Schwenker innerhalb der Spur und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Die Staatsanwaltschaft verurteilte A.________ wegen einfacher Verletzung von Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 250.--. Hiergegen erhob A.________ Einsprache. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft hielt am Strafbefehl fest und überwies die Sache an das Gerichtspräsidium von Thal-Gräu, welches A.________ am 2. März 2022 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch Vornahme einer Verrichtung, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert im Sinne von Art. 3 Abs. 1 VRV i.V. m. Art. 90 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 SVG, zu einer Busse von Fr. 250.-- verurteilte. 
Auf Berufung von A.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 17. November 2022 den erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und im Strafpunkt. Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus: 
Als A.________ am 22. Juli 2020, nach dem Feierabendverkehr um 18.30 Uhr, bei trockenen Strassenverhältnissen einen Personenwagen auf der Oltenstrasse in Egerkingen in Fahrtrichtung Hägendorf lenkte, war es bewölkt, aber noch hell und es dämmerte noch nicht. Es herrschte ein mittleres Verkehrsaufkommen. A.________ habe während einer Fahrstrecke von ca. 20 Metern bei einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h ihr Mobiltelefon in der rechten Hand neben dem Lenkrad gehalten und habe während ein bis zwei Sekunden mit leicht gesenktem Kopf auf das Gerät geschaut, ohne Schwenker des Fahrzeugs und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Ihre linke Hand befand sich am Lenkrad. Der fragliche Vorfall ereignete sich rund 200 Meter von einem Kreisel entfernt. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, sie sei vom Vorwurf der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln freizusprechen und die Sache sei zur Festsetzung der vorinstanzlichen Kosten- sowie Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Im Rahmen der Vernehmlassung verweist das Obergericht des Kantons Solothurn auf sein begründetes Urteil. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz verurteile sie in bundesrechtswidriger Anwendung von Art. 90 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 SVG sowie Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11), weil das ihr zur Last gelegte Verhalten bereits in objektiver Hinsicht nicht tatbestandsmässig sei. Unbestritten sei, dass sie ein Mobiltelefon in der Hand gehalten und während ein bis zwei Sekunden mit leicht gesenktem Kopf auf das Display geblickt habe. Dadurch sei die Aufmerksamkeit nicht beeinträchtigt worden. Die Nutzung der Fingerprint-Funktion oder der Face-ID zum Entsperren des Mobiltelefons sei auch keine Verrichtung, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwere und stelle kein strafbares Verhalten dar.  
 
1.2. Die Vorinstanz kommt entgegen der ersten Instanz zum Schluss, es liege keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV vor. Unter Verweis auf das Urteil 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 hält sie fest, im Unterschied zum blossen Halten des Geräts stelle das Entsperren des Smartphones aber ein Bedienen des Geräts im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV dar. Die Beschwerdeführerin habe ihren Kopf leicht gesenkt und ihren Blick auf das Smartphone gerichtet. Die Verrichtung habe zwar nur kurz gedauert, jedoch könnten im Strassenverkehr bereits ein bis zwei Sekunden Ablenkung ausreichen, um das richtige Lenken zu erschweren. Die Beschwerdeführerin habe sich damit einer einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig gemacht (Urteil S. 10 E. 2).  
 
1.3. Nach Art. 90 Abs. 1 SVG macht sich strafbar, wer die Verkehrsregeln des SVG oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG muss der Fahrzeuglenker das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV). Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV). Er hat ferner dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit insbesondere durch Tonwiedergabegeräte sowie Kommunikations- und Informationssysteme nicht beeinträchtigt wird (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VRV).  
Das Mass der Aufmerksamkeit, die der Fahrzeugführer nach Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden hat, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 137 IV 290 E. 3.6; 127 II 302 E. 3c; 122 IV 225 E. 2b; Urteile 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 4.1; 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 E. 1.3). Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 VRV durch die Verwendung von Kommunikations- und Informationssystemen liegt nur vor, wenn die Aufmerksamkeit dadurch auch tatsächlich beeinträchtigt wird (vgl. BGE 120 IV 63 E. 2c). Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV untersagt demgegenüber explizit jede die Fahrzeugbedienung erschwerende Verrichtung. Gesetz und Verordnung gehen mithin davon aus, dass bestimmte Verrichtungen an sich die notwendige Beherrschung des Fahrzeugs beeinträchtigen und dadurch - im Sinne eines Gefährdungsdelikts - stets zumindest eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer schaffen (BGE 120 IV 63 E. 2a; Urteil 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 E. 1.3). 
Der Fahrzeuglenker muss das Lenkrad mindestens mit der einen Hand halten (Art. 3 Abs. 3 VRV in der hier anwendbaren, bis am 31. Dezember 2020 geltenden Fassung) und hat so die andere, wenn sie nicht zum Lenken gebraucht wird, für Handgriffe wie die Betätigung der Warnsignale, der Richtungsanzeiger, gegebenenfalls des Schalthebels, der Scheibenwischer, des Lichtschalters und dergleichen zur Verfügung. Ob eine Verrichtung das Lenken oder einen dieser Handgriffe erschwert bzw. verunmöglicht, hängt grundsätzlich von der Art der Verrichtung, dem Fahrzeug und der Verkehrssituation ab. Dauert eine solche Verrichtung nur sehr kurz und muss dabei weder der Blick vom Verkehr abgewendet noch die Körperhaltung geändert werden, so kann eine Erschwerung der Fahrzeugbedienung in der Regel verneint werden. Ist die Verrichtung jedoch von längerer Dauer oder erschwert sie in anderer Weise die nötigenfalls sofortige Verfügbarkeit der sich nicht am Lenkrad befindlichen Hand, so ist die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise behindert (BGE 120 IV 63 E. 2d; Urteile 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 4.1; 6B_894/2016 vom 14. März 2017 E. 3.1; 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 E. 1.3). 
 
1.4. In seiner Rechtsprechung zu Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 VRV hat das Bundesgericht etwa festgehalten, dass ein Fahrer, wenn es die Verkehrssituation erlaubt, zum Ablesen der Geschwindigkeit oder der Treibstoffreserve kurz auf das Armaturenbrett blicken darf, ohne dass ihm eine ungenügende Aufmerksamkeit zur Last gelegt werden könnte (Urteil 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 4.2 mit Hinweis). Gleiches gilt auch bei einem kurzen Blick auf die Uhr oder ein im Fahrzeug eingebautes Navigationssystem, bei dem die Führung des Lenkers auch durch Sprachausgabe erfolgt (Urteil 1C_183/2016 vom 22. September 2016 E. 2.1). Gleiches gilt bei einem Fahrzeugführer, der in Phasen des Stillstands seines Fahrzeugs im Stau eine Zeitung liest und diese in den Phasen des Aufrückens um einige Meter im Schritttempo teils auf seinen Oberschenkeln, teils am Lenkrad aufgestützt lässt (Urteile 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 4.2; 6P.68/2006 vom 6. September 2006 E. 3.3). Auch liegt keine die Fahrzeugbedienung erschwerende Verrichtung vor, wenn ein Fahrzeugführer sein Mobiltelefon auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h im Kurvenbereich bei regem Verkehrsaufkommen ununterbrochen während 15 Sekunden in der linken Hand hält, ohne dabei jedoch den Blick von der Strasse abzuwenden und ohne zu telefonieren oder andere Manipulationen am Mobiltelefon vorzunehmen (Urteile 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 4.2; 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 E. 1.5 f.).  
Dagegen widmet ein Fahrer dem Verkehr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit, wenn er während der Fahrt seinen Blick zum Schreiben einer SMS länger auf sein Mobiltelefon richtet (Urteil 6B_666/2009 vom 24. September 2009 E. 1.3 f.); ein Navigationsgerät länger als nur wenige Sekunden in der Hand auf der Höhe des Lenkrads hält und den Blick darauf richtet (Urteil 1C_183/2016 vom 22. September 2016 E. 2.6); ein Blatt Papier auf der Höhe der Mittelkonsole vor sich hält und seinen Blick während ca. sieben Sekunden ununterbrochen darauf richtet (Urteil 1C_422/2016 vom 9. Januar 2017 E. 3.3); mit der rechten Hand ein Mobilgerät bedient und die linke im Bereich des Kopfs hält (Urteil 6B_894/2016 vom 14. März 2017 E. 3.3); ein Lasermessgerät aus der Halterung am Gürtel nimmt, dieses während rund drei Sekunden bedient und während dieser Zeitspanne darauf schaut, um es in der Folge wieder in die Halterung zu stecken (Urteil 6B_1423/2017 vom 9. Mai 2018 E. 3) oder auf dem Lenkrad ein Papier beschreibt und den Blick zeitweise von der Strasse abwendet (Urteil 1C_566/2018 vom 14. Mai 2019 E. 2.5.2). Zudem nimmt ein Fahrzeugführer eine Verrichtung vor, welche die Fahrzeugbedienung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 VRV in unzulässiger Weise erschwert, wenn er während der Fahrt telefoniert und dazu länger als einen kurzen Augenblick das Telefongerät mit der einen Hand hält oder es zwischen Kopf und Schulter einklemmt (BGE 120 IV 63 E. 2d und e). Entsprechend wird das Verwenden eines Telefons ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt nach Anhang 1 Nr. 311 der Ordnungsbussenverordnung vom 16. Januar 2019 (OBV; SR 314.11) mit einer Busse von Fr. 100.-- bestraft (Urteil 1C_470/2020 vom 8. Februar 2021 E. 4.2). 
 
1.5. Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, die Strassenverhältnisse seien trocken und es sei bewölkt, aber noch hell gewesen. Es habe ein mittleres Verkehrsaufkommen geherrscht, jedoch habe sich der Vorfall nach dem Feierabendverkehr ereignet. In der konkreten Situation seien keine Umstände erkennbar, die ein erhöhtes Mass an Aufmerksamkeit erfordert hätten. Der Tatort habe sich entgegen der ersten Instanz nicht kurz vor einem Kreisel befunden, sondern rund 200 Meter davon entfernt. Es habe keine Dämmerung geherrscht, Fussgängerstreifen würden in der Strafanzeige nicht erwähnt (Urteil S. 11). Da nichts anderes festgestellt wurde, ist vorliegend davon auszugehen, dass sich die linke Hand der Beschwerdeführerin am Lenkrad befand. Auch nahm diese gemäss Vorinstanz keine Manipulation am Mobiltelefon vor. Im Unterschied zum Urteil 1C_183/2016 vom 22. September 2016 richtete die Beschwerdeführerin ihren Blick nur ein bis zwei Sekunden auf das Display ihres Mobiltelefons und damit nicht länger als nur wenige Sekunden, so dass dieser Entscheid hier bereits deshalb nicht einschlägig ist. Zudem wendete die Beschwerdeführerin ihren Blick auch nicht (gänzlich) von der Strasse weg, hielt sie doch ihren Kopf nur leicht gesenkt, und befand sich ihr Handy beim Blick darauf neben dem Lenkrad und somit in Fahrtrichtung. Sie hatte damit - anderes wird ihr auch nicht vorgeworfen - den Strassenverkehr immer (auch noch) im Blick, weshalb ihr die Vorinstanz unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrssituation auch keine mangelnde Aufmerksamkeit vorwirft. Die Beschwerdeführerin hatte die linke Hand am Lenkrad und konnte daher die verkehrsrelevanten Manipulationen vornehmen. Zudem war es ihr jederzeit möglich, das Mobiltelefon - falls es die Verkehrsgeschehnisse erforderlich machen würden - in den Getränkehalter zurückstellen, wo es sich zuvor befunden hatte (Urteil S. 5). Zu Recht wird der Beschwerdeführerin das Halten des Mobiltelefons mit einer Hand auch nicht vorgeworfen, da dieses nach der Rechtsprechung mit jedem anderen denkbaren Gegenstand vergleichbar ist, den man am Steuer halten könnte, wie etwa einen Apfel, ein Taschentuch oder eine Zigarette (Urteil 6B_1183/2014 vom 27. Oktober 2015 E. 1.4). Vor diesem Hintergrund hält der Schluss der Vorinstanz, die Beschwerdeführerin habe die in der konkreten Verkehrssituation erforderliche Aufmerksamkeit aufgebracht, vor dem Bundesrecht stand, zumal die Beschwerdeführerin korrekt unterwegs war und auch nicht durch eine spezielle Fahrweise auffiel. Im Unterschied zum Sachverhalt im Urteil 6B_894/2016 vom 14. März 2017, wonach die linke Hand im Bereich des Kopfes angelehnt war, hatte die Beschwerdeführerin ihre linke Hand am Steuerrad und hielt das Mobiltelefon mit der anderen Hand. Es ist daher im konkreten Fall nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführerin durch einen gezielten kurzen Blick von ein bis zwei Sekunden auf das sich in Fahrtrichtung vor ihr befindliche Mobiltelefon, zum Entsperren desselben, die Bedienung des Fahrzeugs erschwert oder behindert haben sollte, zumal ein wiederholter kurzer Blick in den inneren und äusseren Rückspiegel zur sicheren Lenkung des Fahrzeugs jedenfalls in Innenstädten praktisch an jeder Kreuzung und zusätzlich überall bei Fussgänger- und Veloverkehr erforderlich sowie unumgänglich ist. Auch ein derart kurzer Blick auf die sich am Armaturenbrett befindliche Uhr, bei dem die Augen wie beim Blick in die Spiegel nicht mehr vollumfänglich auf das sich vor dem Fahrzeug auf der gesamten Strassenbreite abspielende Geschehen gerichtet sind, erfüllt den Tatbestand keineswegs zwangsläufig (Urteil 6B_681/2016 vom 13. Februar 2017 E. 2.3.3 mit Hinweis). Dies muss gleichermassen bei einem Blick von ein bis zwei Sekunden auf das neben dem Lenkrad gehaltene Mobiltelefon gelten. Erlaubt es, wie vorliegend, die Verkehrssituation, einen kurzen Augenblick auf das Mobiltelefon zu blicken, ohne dass die erforderliche Aufmerksamkeit des Lenkers vom Verkehrsgeschehen abgelenkt ist, liegt ausserdem auch keine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vor und ist die Lenkung sowie Bedienung des Fahrzeugs durch eine Hand uneingeschränkt gewährleistet, stellt dies keine Verrichtung dar, welche die Bedienung des Fahrzeugs behindert oder erschwert. Die Rüge erweist sich als begründet. Die Beschwerde ist gutzuheissen.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die von den Parteien in der Beschwerde vorgebrachten Argumente noch an die vorinstanzliche Begründung gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem anderen, als dem angerufenen Grund beziehungsweise mit einer von den vorinstanzlichen Erwägungen abweichenden Begründung gutheissen oder abweisen (BGE 146 IV 88 E. 1.3.2; 143 V 19 E. 2.3; Urteile 6B_243/2022 vom 18. Januar 2023 E. 2.1; 6B_1476/2021 vom 25. August 2022 E. 2), vorausgesetzt die Beschwerde genügt den Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen gilt von vornherein nur im Rahmen des Streitgegenstandes, der dem Gericht zur Entscheidung vorliegt (BGE 142 I 99 E. 1.7.1 mit Hinweis). Immerhin prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Urteile 6B_243/2022 vom 18. Januar 2023 E. 2.1; 6B_57/2022 vom 19. August 2022 E. 3.1; 6B_1284/2021 vom 20. Juli 2022 E. 2; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht darf nach Art. 107 Abs. 1 BGG zudem nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen.  
Da die Gerichte zwar an die Anklage, nicht aber an die rechtliche Würdigung des Sachverhalts gebunden sind (Art. 350 Abs. 1 und Art. 344 StPO), drängt es sich angesichts der Gutheissung der Beschwerde auf, Folgendes zu bemerken: 
 
2.2. Übertretungen des Strassenverkehrsgesetzes können nach dem Ordnungsbussengesetz vom 18. März 2016 (OBG; SR 314.1; Fassung gültig bis 18. Dezember 2020) in einem vereinfachten Verfahren mit Ordnungsbussen bis Fr. 300.-- geahndet werden (Art. 1 Abs. 1 lit. a Ziff. 7 und Abs. 4 OBG). Nach Art. 1 Abs. 2 OBG ist das Ordnungsbussenverfahren nur anwendbar, wenn der betreffende Übertretungstatbestand in den Listen nach Artikel 15 aufgeführt ist. Das trifft vorliegend zu, denn das Verwenden eines Telefons ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt wird nach Anhang 1 Nr. 311 der Ordnungsbussenverordnung vom 16. Januar 2019 (OBV; SR 314.11; Stand am 22. Juni 2020) mit einer Busse von Fr. 100.-- bestraft. Dabei impliziert das "Verwenden" eines modernen Mobiltelefons nicht notwendigerweise dessen Benutzung zum Telefonieren, sondern beinhaltet weitere Funktionen, wie das Verfassen von Kurznachrichten oder E-Mails oder auch deren Lektüre (Urteil 6B_894/2016 vom 14. März 2017 E. 1.3.1).  
Das Ordnungsbussenverfahren ist obligatorisch anzuwenden, wenn seine Voraussetzungen gegeben sind (BGE 145 IV 252 E. 1.5; 121 IV 375 E. 1a; 105 IV 136 E. 1-3). Es dient der raschen und definitiven Erledigung der im Strassenverkehr massenhaft vorkommenden Übertretungen mit Bagatellcharakter mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand (BGE 145 IV 252 E. 1.5; 135 IV 221 E. 2.2; 126 IV 95 E. 2b; je mit Hinweis). Die Fälle, in denen eine dem Ordnungsbussenrecht unterstehende Übertretung ausnahmsweise im ordentlichen Verfahren zu ahnden ist, werden durch Gesetz und Verordnung abschliessend geregelt (BGE 145 IV 252 E. 1.5; 121 IV 375 E. 1a; 105 IV 136 E. 1-3). Gemäss Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 lit. a OBG wird unter anderem für die Anwendung des Ordnungsbussenverfahrens vorausgesetzt, dass die Vertreterin oder der Vertreter des zuständigen Organs die Widerhandlung selbst festgestellt hat und die Person, welche die Widerhandlung begangen hat, nicht jemanden gefährdet oder verletzt oder Schaden verursacht hat. Wie schwer eine Verletzung der Verkehrsregeln wiegt, bestimmt sich heute wie früher nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei genügt für den Ausschluss des Ordnungsbussenverfahrens bereits eine erhöhte abstrakte Gefährdung (BGE 148 IV 374 E. 2.2 mit Hinweis). 
 
2.3. Die Vorinstanz wird im Rahmen der nach der Rückweisung vorzunehmenden Neubeurteilung insbesondere in Beachtung von Art. 350 Abs. 1 und Art. 344 StPO zu prüfen haben, ob vorliegend die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Ordnungsbussenverfahrens erfüllt sind und ob der Tatbestand des Verwendens eines Telefons ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt gemäss Ziff. 311 der Bussenliste (Anhang 1 OBV) gegeben ist. Gemäss Polizeirapport nahm eine Polizeipatrouille das der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verhalten wahr (Urteil S. 5) und diese hat gemäss den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz weder einen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet noch einen Schaden verursacht. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass gemäss Art. 14 OBG eine Ordnungsbusse auch im ordentlichen Verfahren ausgefällt werden kann (BGE 145 IV 252 E. 1.5; Urteil 6B_628/2010 vom 7. Oktober 2010 E. 3.2).  
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 17. November 2022 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Solothurn hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Mai 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini