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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_1024/2023  
 
 
Urteil vom 26. Juni 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Mango-Meier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg, Postfach 1638, 1701 Freiburg, 
2. B.________, 
vertreten durch 
Rechtsanwältin Manuela Bracher Edelmann, 
 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Einstellungsverfügung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, Strafkammer, vom 29. November 2023 (502 2023 194). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ erstattete am 20. September 2022 Strafanzeige und Strafantrag gegen seine ehemalige Freundin B.________ wegen Veruntreuung, einfacher Körperverletzung, Drohung, strafbarem Schwangerschaftsabbruch und Betrug. Am 12. April 2023 erweiterte er den Vorwurf auf üble Nachrede, evtl. Verleumdung, evtl. falsche Anschuldigung und Irreführung der Rechtspflege, und konstituierte sich gleichzeitig als Privatkläger im Straf- und Zivilpunkt. 
Nach Durchführung diverser Untersuchungshandlungen sowie namentlich einer Gegenüberstellung stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg das Verfahren gegen B.________ wegen strafbarem Schwangerschaftsabbruch, Veruntreuung, einfacher Körperverletzung, Drohung, Betrug, übler Nachrede, Verleumdung, falscher Anschuldigung und Irreführung der Rechtspflege mit Verfügung vom 17. August 2023 ein und verwies die Zivilklage auf den Zivilweg. 
 
B.  
Mit Beschwerde vom 28. August 2023 beantragte A.________ dem Kantonsgericht Freiburg, es sei die Einstellungsverfügung teilweise aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, das Strafverfahren gegen B.________ betreffend strafbaren Schwangerschaftsabbruch, üble Nachrede bzw. Verleumdung und falsche Anschuldigung bzw. Irreführung der Rechtspflege wieder aufzunehmen. 
Mit Urteil vom 29. November 2023 hiess das Kantonsgericht die Beschwerde teilweise gut und hob die Einstellungsverfügung bezüglich der Einstellung des Strafverfahrens wegen übler Nachrede bzw. Verleumdung und der Verweisung der Zivilklage auf den Zivilweg in diesem Punkt auf. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht, es sei der Beschwerdeentscheid hinsichtlich der Abweisung und des Nichteintretens aufzuheben und es sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, das Strafverfahren bezüglich des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs und der falschen Anschuldigung bzw. der Irreführung der Rechtspflege wieder aufzunehmen und zur Anklage zu bringen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. Der Beschwerdeführer reichte mehrere Schreiben ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Richter, Richterinnen, Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen (Gerichtspersonen) treten in Ausstand, wenn einer der in Art. 34 Abs. 1 BGG genannten Gründe erfüllt ist, namentlich bei persönlichem Interesse an der Strafsache (lit. a), Vorbefassung in anderer Stellung (lit. b), einer gewissen persönlichen Beziehung zu den Parteien (lit. c-d) oder aus anderen Gründen wie Freundschaft oder Feindschaft (lit. e).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer stellt ein Ausstandsgesuch gegen Bundesrichterin Koch. Er übt inhaltlich Kritik am Urteil 7B_9/2024 vom 11. April 2024, bringt jedoch nicht substanziiert einen Ausstandsgrund gemäss Art. 34 Abs. 1 BGG in Bezug auf diese Gerichtsperson vor (vgl. Urteil 6B_821/2022 vom 29. August 2022 E. 4 mit Hinweis). Die Mitwirkung in einem früheren Verfahren des Bundesgerichts bildet für sich allein keinen Ausstandsgrund (Art. 34 Abs. 2 BGG; Urteil 7B_188/2023 vom 24. Juli 2023 E. 1.2 mit Hinweis). Auf das Ausstandsgesuch des Beschwerdeführers ist somit nicht einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Bei den Zivilansprüchen geht es in erster Linie um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 146 IV 76 E. 3.1 mit Hinweis; Urteile 7B_358/2024 vom 28. Mai 2024 E. 1.1; 6B_1026/2023 vom 13. Mai 2024 E. 2.1; 6B_467/2023 vom 26. Mai 2023 E. 2.2; vgl. BGE 148 IV E. 3.1.2 mit Hinweis). Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft - also diejenige Person, welche durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist, und sich durch ausdrückliche Erklärung am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin beteiligt (Art. 115 Abs. 1 i.V.m. Art. 118 StPO) - nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Die Privatklägerschaft muss vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann auf sie nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (zum Ganzen: BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 7B_833/2023 vom 22. April 2024 E. 1.2; 7B_28/2023 vom 24. Oktober 2023 E. 1.1; 6B_790/2022 vom 15. Juni 2023 E. 1.1; 6B_582/2020 vom 17. Dezember 2020 E. 1, nicht publ. in: BGE 147 IV 47; 6B_961/2017 vom 18. Januar 2018 E. 1, nicht publ. in: BGE 144 IV 13; je mit Hinweis[en]).  
 
2.2. Soweit der Beschwerdeführer den angefochtenen Entscheid hinsichtlich der Rechtspflegedelikte (falsche Anschuldigung bzw. Irreführung der Rechtspflege) anficht, tut er seine Legitimation mit keinem Wort dar. Ein Einfluss auf eine Zivilforderung ist in diesem Zusammenhang auch nicht ersichtlich. Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.  
 
2.3. Was hingegen das Nichteintreten der Vorinstanz auf die Beschwerde hinsichtlich des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs anbelangt, kann sich der Beschwerdeführer auf die sog. "Star-Praxis" berufen. Danach kann die Privatklägerschaft ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache vor Bundesgericht die Verletzung von Verfahrensrechten rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können (BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Nicht zu hören sind dabei Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (Urteil 7B_126/2024 vom 22. April 2024 E. 1.2.1 mit Hinweis; 7B_112/2022 vom 22. November 2023 E. 1.1).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe ihm hinsichtlich des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu Unrecht die Parteistellung abgesprochen. Als Kindsvater des "abgetöteten Fötus" sei er als "'Opfer' im Sinne von Art. 115 StPO" anzusehen und bereits aus diesem Grund legitimiert, Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu führen. Seine Beschwerdelegitimation ergebe sich auch aus Art. 116 Abs. 2 StPO.  
 
3.2. Die geschädigte Person kann als Privatklägerin zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat adhäsionsweise im Strafverfahren geltend machen (Art. 122 Abs. 1 StPO). Das gleiche Recht steht auch den Angehörigen des Opfers zu, soweit sie gegenüber der beschuldigten Person eigene Zivilansprüche geltend machen (Art. 122 Abs. 2 StPO).  
Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist, wer mithin Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsguts ist (Art. 115 Abs. 1 StPO; BGE 145 IV 433 E. 3.6; 143 IV 77 E. 2.1 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_1013/2020 vom 12. März 2024 E. 2.2 mit Hinweisen). Als Rechtsgutsträger kommen Personen im personenrechtlichen Sinne, d.h. natürliche und juristische Personen, in Frage (vgl. statt aller Annette Dolge, in: Basler Kommentar, 3. Aufl., 2023, N. 53 zu Art. 122 StPO). 
Als Opfer gilt die geschädigte Person, die durch die Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Art. 116 Abs. 1 StPO). Machen die Angehörigen eines Opfers Zivilansprüche geltend, so stehen ihnen die gleichen Rechte zu wie dem Opfer (Art. 117 Abs. 3 StPO). Als Angehörige des Opfers gelten seine Ehegattin oder sein Ehegatte, seine Kinder und Eltern sowie die Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahe stehen (Art. 116 Abs. 2 StPO). 
 
3.3.  
 
3.3.1. Gemäss den vorinstanzlichen Ausführungen erfolgte die am 17. Mai 2022 vorgenommene Abtreibung in der 15. oder 16. Schwangerschaftswoche aufgrund der von den Ärzten bejahten Gefahr einer schweren seelischen Notlage der beschuldigten Person.  
 
3.3.2. Nach Art. 118 Abs. 3 StGB wird die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 119 Abs. 1 erfüllt sind, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Gemäss Art. 119 Abs. 1 StGB ist der Abbruch einer Schwangerschaft straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.  
Geschütztes Rechtsgut des Art. 118 Abs. 3 StGB ist das menschliche Leben während der Schwangerschaft. Einbezogen sind grundsätzlich alle Embryonen und Föten bis zur Menschwerdung, auch solche, die nicht lebensfähig sind (Schwarzenegger/Heimgartner, in: Basler Kommentar, 4. Aufl., 2019, N. 1 vor Art. 118 StGB; Queloz/Munyankindi, in: Commentaire romand, 2017, N. 7 vor Art. 118-120 StGB; Trechsel/Geth, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 4. Aufl., 2021, N. 2 vor Art. 118 StGB; Gian Ege, in: Damian Graf [Hrsg.], StGB, Annotierter Kommentar, 2020, N. 1 zu Art. 118 StGB). 
 
3.3.3. Die Rechtsordnung bestimmt, wer Person ist (Eugen Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Bd. I, 2. Aufl. 1914, S. 45). Nach der gesetzlichen Konzeption des Zivilgesetzbuchs beginnt die Persönlichkeit mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode (Art. 31 Abs. 1 ZGB). "Die Persönlichkeit beginnt" - so plastisch der Gesetzesredaktor - (durch das eigene Leben des Kindes) "ausserhalb des Mutterschosses" (Eugen Huber, a.a.O., S. 73; derselbe, Sten. Bull. Nationalrat, Sitzung vom 7. Juni 1905, S. 471, in: Berner Kommentar, Materialien zum Zivilgesetzbuch, Bd. IV, 2023, S. 61). Vor der Geburt ist das Kind nur unter dem Vorbehalt rechtsfähig, dass es lebendig geboren wird (Art. 31 Abs. 2 ZGB). Das Kind, das tot geboren wird, erwirbt mithin keine Rechtsfähigkeit (statt aller Bucher/Aebi-Müller, in: Berner Kommentar, 2. Aufl. 2017, N. 40 zu Art. 11 ZGB).  
 
3.3.4. Daraus lässt sich schliessen, dass das von Art. 118 StGB geschützte ungeborene Leben de lege lata keine Persönlichkeit im Rechtssinne aufweist. Wird dieses ungeborene Leben im Mutterschosse durch Schwangerschaftsabbruch beendet, konnte es nach Art. 31 ZGB niemals Persönlichkeit erlangen. Damit ist das ungeborene Leben aber auch keine geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und folglich auch kein Opfer gemäss Art. 116 Abs. 1 StPO.  
 
3.4. Diese Grundsätze hat die Vorinstanz ihrem Entscheid zutreffend zugrunde gelegt. Sie ist gestützt darauf zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer weder selber Träger des geschützten Rechtsgutes von Art. 118 StGB ist, noch - mangels Opfereigenschaft des ungeborenen Lebens - als Angehöriger im Sinne von Art. 116 Abs. 2 StPO gelten kann. Sie trat damit mangels Parteistellung des Beschwerdeführers mit Bezug auf den Vorwurf des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu Recht nicht auf die Beschwerde ein.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf das Ausstandsgesuch wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Freiburg, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Juni 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Mango-Meier