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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_756/2023  
 
 
Urteil vom 31. Juli 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Firma B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Harun Can, SwissVAT AG, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrwertsteuer, Steuerperiode 2020, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2023 
(A-5392/2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ betreibt unter der Firma "B.________, Inh. A.________" ein seit dem 23. Juni 2011 im Handelsregister eingetragenes Einzelunternehmen, das die Durchführung von Steuererstattungs- und Kindergeldverfahren in den europäischen Mitgliedstaaten bezweckt. Er war bis im Februar 2023 zudem Teilhaber einer Kollektivgesellschaft mit der Firma "C.________ (CH) Inh. A.________ und D.________" (nachfolgend: die Kollektivgesellschaft) mit Sitz in U.________. Diese Gesellschaft, deren Geschäft seit Februar 2023 von der anderen Teilhaberin als Einzelunternehmen fortgeführt wird, bezweckte die Vertretung europäischer Gastarbeiter in Steuer- und Rechtsfragen europaweit und war ab dem 30. April 2015 im Handelsregister eingetragen.  
 
A.b. Mit Schreiben vom 29. September 2020 teilte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) A.________ mit, dass er per 1. Januar 2018 in das Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen aufgenommen worden sei. Seither rechnet er für sein Einzelunternehmen nach der effektiven Methode mit vereinbarten Entgelten ab.  
 
A.c. Mit Schreiben vom 29. September 2020 stellte die Kollektivgesellschaft A.________ bzw. seinem Einzelunternehmen Steuer- und Rechtsberatungsdienstleistungen für den Zeitraum vom 1. Quartal 2015 bis zum 3. Quartal 2020 in der Höhe von Fr. 10'092'667.- inklusive Mehrwertsteuer in Rechnung. Sie wies zudem darauf hin, dass die Rechnungsbeträge bereits durch entsprechende Vorauszahlungen beglichen worden seien.  
 
A.d. Am 15. Oktober 2020 reichten A.________ bzw. sein Einzelunternehmen und die Kollektivgesellschaft gemeinsam die Mehrwertsteuerabrechnungen des 1. Quartals 2018 bis zum 3. Quartal 2020 für ihn bzw. des 1. Quartals 2015 bis zum 3. Quartal 2020 für die Kollektivgesellschaft ein. Im Begleitschreiben erläuterten sie, dass A.________ bzw. sein Einzelunternehmen in den Jahren 2015 bis 2018 ausschliesslich Leistungen im Ausland erbracht habe. Die Beratungsdienstleistungen habe das Einzelunternehmen bei der Kollektivgesellschaft eingekauft. Das Entgelt dafür sei ihm ohne Rechnungsstellung belastet worden. Die Kollektivgesellschaft habe die Rechnung für sämtliche Leistungen für den Zeitraum vom 1. Quartal 2015 bis zum 3. Quartal 2020 erst am 29. September 2020 ausgestellt.  
 
A.e. Am 20. Januar 2021 führte die ESTV eine Kontrolle am Sitz des Einzelunternehmens durch. Am 18. Februar 2021 erliess die ESTV eine Einschätzungsmitteilung für die Steuerperioden 2018 und 2019 (Vorsteuerguthaben für A.________ in der Höhe von Fr. 7'790.75) und Ergänzungsabrechnungen für die Steuerperioden 2015 bis 2017 (Steuerforderung der ESTV in der Höhe von Fr. 5'489.-) und für das erste bis zum dritten Quartal 2020 (Steuerforderung der ESTV in der Höhe von Fr. 295'202.-). Auf Aufforderung von A.________ und der Kollektivgesellschaft hin erliess die ESTV am 5. November 2021 eine Verfügung, die an das Einzelunternehmen adressiert war und mit der die ESTV festhielt, dass das Einzelunternehmen für die Steuerperiode 2020 zusätzlich zur selbst deklarierten Steuer einen Steuerbetrag in der Höhe von Fr. 295'202.- schulde.  
 
B.  
Gegen die Verfügung der ESTV vom 5. November 2021 führte das Einzelunternehmen Rechtsmittel bei der ESTV, die dieses als Sprungbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 18. Oktober 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 4. Dezember 2023 wird namens des Einzelunternehmens beantragt, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2023 sei aufzuheben und ihm sei der Vorsteuerabzug im Umfang von Fr. 295'202.- zu gewähren. Die ESTV beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Einzelunternehmen repliziert betreffend die Frage des Verzugszinses. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einem Mehrwertsteuerstreit, mithin in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, und damit gegen ein taugliches Anfechtungsobjekt (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG). Die Beschwerde wurde fristgerecht eingereicht und entspricht den gesetzlichen Formanforderungen (Art. 42 und 100 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Die Vorinstanz hat das Einzelunternehmen ("B.________") als Partei aufgeführt und als steuerpflichtige Person betrachtet. Auch die Beschwerdeschrift ist im Namen des Einzelunternehmens abgefasst.  
 
1.2.1. Die Beschwerdebefugnis nach Art. 89 BGG setzt die Parteifähigkeit der Beschwerdeführenden voraus (BGE 142 II 80 E. 1.4.4; vgl. FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in: Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 6 f. zu Art. 89 BGG). Parteifähig sind in erster Linie natürliche und juristische Personen. Aufgrund der Besonderheiten des Mehrwertsteuerrechts hat das Bundesgericht auch gewissen Gebilden Parteifähigkeit zuerkannt, die nach zivil- und verfahrensrechtlichen Regeln nicht parteifähig wären, namentlich gewissen Personengesamtheiten mit Aussenauftritt (vgl. Urteil 2C_345/2020 vom 14. April 2021 E. 4.3.3) und Mehrwertsteuergruppen nach Art. 13 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20; vgl. Urteile 9C_32/2023 vom 12. Juli 2023 E. 1.2.4; 2C_1021/2020 vom 28. Juli 2021 E. 1.2).  
 
1.2.2. Einzelunternehmen gelten ungeachtet des Eintrags im Handelsregister (Art. 931 Abs. 1 OR) und der eigenen Firma (Art. 945 Abs. 1 OR) nicht als selbständige Personen, die von ihrem Träger bzw. ihrer Trägerin zu unterscheiden wären (vgl. BGE 74 II 224 E. 2; MARTINA ALTENPOHL, in: Basler Kommentar, OR II, 6. Aufl. 2024, N. 1 zu Art. 945 OR; RINO SIFFERT, in: Berner Kommentar, Die Geschäftsfirmen, 2017, N. 7 zu Art. 945 OR). Für das Mehrwertsteuerrecht gibt es keinen Grund, hiervon abzuweichen. Verfahrenspartei und steuerpflichtige Person (Steuersubjekt) ist also auch mehrwertsteuerlich die natürliche Person, die Inhaberin bzw. Trägerin des Einzelunternehmens ist, und nicht das Einzelunternehmen (vgl. Urteil 2C_345/2020 vom 14. April 2021 E. 4.3.3; CLAUDIO FISCHER, in: MWSTG/LTVA, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2015, N. 56 zu Art. 10 MWSTG; REGINE SCHLUCKEBIER, in: MWSTG Kommentar, 2. Aufl. 2019, N. 27 zu Art. 10 MWSTG).  
 
1.2.3. Ein Einzelunternehmen kann also nicht losgelöst von seinem Inhaber Partei eines Mehrwertsteuerverfahrens und erst recht nicht Partei eines bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens sein. Im vorliegenden Fall ist das Einzelunternehmen gleichwohl vor allen Instanzen als Partei bezeichnet und bislang offenbar auch als solche anerkannt worden. Auch die Vollmacht zugunsten des Rechtsvertreters lautet auf das Einzelunternehmen, ist aber immerhin von dessen Inhaber unterzeichnet. Unter diesen besonderen Umständen gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV), den Inhaber des Unternehmens, der als Unternehmensträger die steuerpflichtige Person ist, auch als Adressaten des angefochtenen Urteils und als Beschwerdeführer zu betrachten. Er ist als natürliche Person parteifähig und erfüllt die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1 BGG. Das Rubrum dieses Urteils wird dementsprechend angepasst.  
 
1.3. Da die Beschwerde dem Inhaber des Einzelunternehmens zuzurechnen ist, kann darauf eingetreten werden.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2).  
 
2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die vorgebrachten Argumente, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte gilt nach Art. 106 Abs. 2 BGG eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2; 138 I 274 E. 1.6).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer beanstandet, dass ihm die Vorinstanz für die Steuerperiode 2020 zu Unrecht den Abzug von Vorsteuern auf Beratungsleistungen verweigert habe, die er in den Jahren 2015 bis 2017 von der Kollektivgesellschaft bezogen hatte. Entgegen der Vorinstanz komme es für den Vorsteuerabzug nicht auf den Zeitpunkt des Leistungsempfangs, sondern alleine auf den Empfang der Rechnung an. 
 
3.1. Nach Art. 28 Abs. 1 MWSTG haben steuerpflichtige Personen im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit Anspruch darauf, gewisse Vorsteuern abzuziehen, darunter die ihnen in Rechnung gestellte Inlandsteuer (lit. a). Der Anspruch auf Vorsteuerabzug entsteht gemäss Art. 40 Abs. 1 Ingress MWSTG bei Abrechnung nach vereinbarten Entgelten im Zeitpunkt des Empfangs der Rechnung. Der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers soll aber nicht ausgeschlossen sein, wenn der Leistungserbringer dem Leistungsempfänger zwar die Steuer belastet, ihm aber ausnahmsweise keine Rechnung im Sinne von Art. 3 lit. k MWSTG ausstellt (vgl. Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer [Botschaft MWSTG], BBl 2008 6885, 6934 f.). Art. 59 Abs. 1 der Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV; SR 641.201) stellt deshalb klar, dass die Inlandsteuer als in Rechnung gestellt gilt, wenn der Leistungserbringer oder die Leistungserbringerin für den Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin erkennbar von diesem oder dieser die Mehrwertsteuer eingefordert hat.  
 
3.2. Die Vorinstanz ist der Ansicht, dass keinen Anspruch auf Abzug von Vorsteuern nach Art. 28 habe, wer zwar bei Rechnungsstellung (Art. 28 Abs. 1 lit. a MWSTG) bzw. im Zeitpunkt des Empfangs der Rechnung (Art. 40 Abs. 1 Ingress MWSTG) die Voraussetzungen dafür erfülle, nicht aber im Zeitpunkt des Leistungsempfangs. In diesem Fall könne höchstens ein Anspruch auf Einlageentsteuerung (Art. 32 MWSTG) geltend gemacht werden. Sie stützt sich auf einen Autor, der sich zum alten Recht in diese Richtung geäussert hatte, allerdings ohne seine Meinung näher zu begründen (TOBIAS F. ROHNER, Der nachträgliche Vorsteuerabzug [Einlageentsteuerung] im schweizerischen MWSTG und nach der 6. MwSt.-Richtlinie der EU, 2007, S. 143 f.). Im Rahmen der Subsumtion führt die Vorinstanz zudem aus, dass "zwischen der Steuerpflicht und dem Anspruch auf Vorsteuerabzug [...] nach der inneren Logik des MWSTG [...] ein zeitlicher Konnex" bestehe.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer beanstandet diese Sichtweise zu Recht.  
 
3.3.1. Die Auffassung der Vorinstanz steht offenkundig im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut. Dieser stellt im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug sowohl in Art. 28 Abs. 1 als auch in Art. 40 Abs. 1 MWSTG eindeutig nicht auf den Leistungsempfang ab, sondern auf die Rechnung bzw. allenfalls - in Verbindung mit Art. 59 Abs. 1 MWSTV - auf die erkennbare Einforderung der Mehrwertsteuer durch den Leistungserbringer.  
 
3.3.2. Es gibt keinen Grund, auslegungsweise von diesem klaren Wortlaut abzuweichen. Zwar gebieten die Konzeption als Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug und das Belastungsziel der Steuer (nicht unternehmerischer Endverbrauch im Inland; Art. 1 Abs. 1 MWSTG), dass Personen dann keine Vorsteuern zum Abzug bringen können sollen, wenn sie die Eingangsleistungen nicht im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit verbrauchen oder wenn sie sie für die Erbringung von steuerausgenommenen Ausgangsleistungen nutzen (vgl. auch Art. 29 f. MWSTG). Daraus folgt aber entgegen der Vorinstanz nicht, dass es für das Recht auf den Vorsteuerabzug "nach der inneren Logik des MWSTG" auf den Empfang der Leistung ankäme. Zeitpunkt und Umfang des Vorsteuerabzugs müssten vielmehr von der Nutzung bzw. vom Konsum der vorsteuerbelasteten Leistung abhängen, und zwar über die gesamte Nutzungsdauer der betroffenen Lieferung oder der Dienstleistung betrachtet. Dieses Ziel strebt das Gesetz denn auch an, indem es der steuerpflichtigen Person in Art. 28 Abs. 1 lit. a und Art. 40 Abs. 1 Ingress MWSTG zwar statt einem über die Nutzungsdauer gestaffelten den sofortigen und - unter Vorbehalt von Art. 29 und 30 MWSTG - vollständigen Abzug der ihr in Rechnung gestellten Inlandsteuer erlaubt, dies jedoch mit der Möglichkeit von Korrekturen in späteren Perioden für den Fall von Nutzungsänderungen kombiniert (Eigenverbrauch nach Art. 31 MWSTG und Einlageentsteuerung nach Art. 32 MWSTG; vgl. auch Art. 69 ff. MWSTV).  
 
3.3.3. Zuzustimmen ist der Vorinstanz immerhin insoweit, als die Verhältnisse zwischen Leistungsempfang und Rechnungsstellung nicht völlig belanglos sind. Wenn nämlich eine Person eine Leistung empfängt, bevor sie eine unternehmerische Tätigkeit aufnimmt, kann der Vorsteuerabzug - ungeachtet des Zeitpunkts der Rechnungsstellung - von vornherein nur insoweit in Betracht kommen, als die Leistung bei Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit noch nicht verbraucht war. Der Grund für den ganzen oder teilweisen Ausschluss der Vorsteuer liegt in diesem Fall jedoch nicht darin, dass die Person bereits bei Leistungsempfang steuerpflichtig hätte sein müssen, wie die Vorinstanz meint. Vielmehr steht dem vollständigen Abzug der Vorsteuer entgegen, dass die fragliche Leistung bereits ganz oder teilweise ausserhalb jeder unternehmerischen Tätigkeit verbraucht worden ist, mithin insoweit nicht unternehmerischer Endverbrauch (Art. 1 Abs. 1 MWSTG) vorliegt, den es zu belasten gilt.  
 
3.3.4. Zusammengefasst ist der Vorsteuerabzug also ausgeschlossen, soweit die vorsteuerbelasteten Leistungen im Moment der Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit bereits verbraucht worden sind, und dies auch dann, wenn die Rechnung erst nach Eintritt in die Steuerpflicht gestellt wird. Soweit das Bundesgericht kürzlich ähnlich wie die Vorinstanz angedeutet hat, dass die Steuerpflicht in jedem Fall bereits im Zeitpunkt des Empfangs der Leistung gegeben sein müsse (vgl. Urteil 9C_154/2023 vom 3. Januar 2024 E. 2.2.3), ist diese Aussage in diesem Sinn zu präzisieren.  
 
3.4. Die Vorinstanz hat für die Steuerperiode 2020 den Abzug von Vorsteuern verweigert, die dem Beschwerdeführer von der Kollektivgesellschaft in der Steuerperiode in der Steuerperiode 2020 in Rechnung gestellt wurden, aber auf Beratungsleistungen anfielen, welche die Kollektivgesellschaft dem Beschwerdeführer bereits in den Jahren 2015 bis 2017 erbracht hatte. Bei Dienstleistungen im Beratungsbereich gilt die gesetzliche Vermutung, dass sie im Zeitpunkt des Bezugs verbraucht und nicht mehr vorhanden sind (Art. 69 Abs. 2 und Art. 72 Abs. 2 MWSTV; vgl. Urteil 9C_154/2023 vom 3. Januar 2024 E. 3.5.5). Vorliegend verhält es sich offensichtlich nicht anders, empfing der Beschwerdeführer die Beratungsleistungen doch nur als indirekter Stellvertreter und verrechnete er sie umgehend an seine Kunden im Ausland weiter. Als der Beschwerdeführer per 1. Januar 2018 in die (obligatorische) Steuerpflicht eintrat, waren die streitbetroffenen Beratungsleistungen also bereits verbraucht.  
Damit ist aber nicht gesagt, dass der Abzug der Vorsteuern ausgeschlossen wäre. Im Zeitpunkt des Verbrauchs der Beratungsleistungen war der Beschwerdeführer nämlich zwar mangels hinreichender Umsätze im Inland von der Steuerpflicht befreit (Art. 10 Abs. 2 lit. a aMWSTG [AS 2009 5203]). Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) war der Beschwerdeführer indessen bereits im Zeitraum von 2015 bis 2017 unternehmerisch tätig gewesen, indem er die bezogenen Beratungsleistungen an seine Kunden im Ausland weiterverrechnet und so seinerseits Beratungsleistungen (im Ausland; Art. 8 Abs. 1 MWSTG) erbracht hatte. Da der Beschwerdeführer die vorsteuerbelasteten Leistungen also im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit und nicht etwa im privaten Bereich oder für die Erstellung von ausgenommenen Leistungen verbrauchte, gibt es keinen Grund, ihm auf den streitbetroffenen Leistungen den Vorsteuerabzug zu verweigern. Das angefochtene Urteil verletzt somit Bundesrecht. 
 
 
4.  
Unter diesen Umständen erübrigen sich Ausführungen zur Einlageentsteuerung (Art. 32 MWSTG) und zum Verzugszins (Art. 87 MWSTG), den die Vorinstanz und die ESTV für geschuldet halten. 
 
5.  
Die Beschwerde erweist sich als begründet. Sie ist gutzuheissen und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die ESTV wird die geltend gemachten Vorsteuern zum Abzug zuzulassen haben, wobei das Verfahren zur rechnerischen Umsetzung an die ESTV zurückzuweisen ist. Da die ESTV unterliegt und Vermögensinteressen verfolgt, trägt sie die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Sie hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens sind ebenfalls der ESTV aufzuerlegen (Art. 67 BGG). Zudem hat sie dem Beschwerdeführer auch für das vorinstanzliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2023 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die ESTV zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren von Fr. 8'000.- werden der ESTV auferlegt. 
 
3.  
Die ESTV hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 6'000.- zu bezahlen. 
 
4.  
Die Gerichtskosten des vorinstanzlichen Verfahrens von Fr. 9'500.- werden der ESTV auferlegt. 
 
 
5.  
Die ESTV hat dem Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 7'000.- zu bezahlen. 
 
6.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 31. Juli 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler