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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_42/2024  
 
 
Urteil vom 25. April 2024  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Müller, 
Gerichtsschreiberin Dillier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Regierungsrat des Kantons Zug, 
Regierungsgebäude, Seestrasse 2, 6301 Zug, 
handelnd durch die Staatskanzlei des Kantons Zug, Regierungsgebäude, Seestrasse 2, Postfach, 6301 Zug, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Mayr von Baldegg, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Öffentlichkeitsgesetz; Einsicht in Regierungsratsprotokolle, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, vom 18. Dezember 2023 (V 2023 38). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 9. Januar 2023 ersuchte die A.________ AG bei der Staatskanzlei des Kantons Zug gestützt auf das kantonale Gesetz vom 20. Februar 2014 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, ÖffG/ZG; BGS 158.1) um Einsicht in die Protokolle sämtlicher Sitzungen des Regierungsrats im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022. Die Staatskanzlei stellte der A.________ AG am 12. Januar 2023 zur Gewährung des rechtlichen Gehörs einen Verfügungsentwurf zu, der aufgrund des Umfangs der Akten (617 A4-Seiten, Anzahl Geschäfte: total 1'146 Protokollziffern) und des geschätzten Zeitaufwands (180 Stunden) einen Kostenvorschuss von Fr. 7'320.-- vorsah. Die A.________ AG nahm zum Verfügungsentwurf nicht Stellung und leistete keinen Kostenvorschuss. 
Aufgrund einer rechtlichen Neubeurteilung des Geschäfts liess die Staatskanzlei der A.________ AG am 24. Februar 2023 zur Gewährung des rechtlichen Gehörs einen neuen Verfügungsentwurf zukommen. Der Entwurf sah die Abweisung des Einsichtsgesuchs vor. Nachdem die A.________ AG dazu Stellung genommen hatte, wies der Regierungsrat des Kantons Zug das Gesuch mit Beschluss vom 21. März 2023 ab. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde der A.________ AG hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Urteil vom 18. Dezember 2023 gut und formulierte Dispositiv-Ziffer 1 wie folgt: "Die Beschwerde wird gutheissen. Der Regierungsrat des Kantons Zug hat der Beschwerdeführerin Einsicht in die Protokolle der Sitzungen des Regierungsrats im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 zu gewähren." 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 17. Januar 2024 gelangt der Regierungsrat an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2023 sei aufzuheben und das Gesuch um Einsicht in die Protokolle des Regierungsrats im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022 sei abzuweisen. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu gewähren. Zudem sei das Beschwerdeverfahren zu sistieren, bis das Erläuterungs- und Berichtigungsgesuch der Staatskanzlei des Kantons Zug vom 10. Januar 2024 an das Verwaltungsgerichts bezüglich des angefochtenen Urteils erledigt sei. 
Mit Entscheid vom 22. Januar 2024 hiess das Verwaltungsgericht das Erläuterungsgesuch gut und ergänzte Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Urteils wie folgt [Ergänzung kursiv markiert]: "[...]. Der Regierungsrat des Kantons Zug hat der Beschwerdeführerin im Rahmen bzw. unter Vorbehalt der massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen Einsicht in die Protokolle [...] zu gewähren." Die Berichtigungsbegehren hiess das Verwaltungsgericht im Sinne der Erwägungen ebenfalls gut. Sodann eröffnete es eine neue Rechtsmittelfrist gegen das Urteil und die Erläuterung.  
Mit Eingabe vom 6. Februar 2024 hält der Regierungsrat an der Beschwerde fest und macht ergänzende Ausführungen dazu. 
Mit Präsidialverfügung vom 20. Februar 2024 hat das Bundesgericht der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt und das Sistierungsgesuch als gegenstandslos geworden abgeschrieben. 
Die A.________ AG und das Verwaltungsgericht ersuchen um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Regierungsrat hält in der Replik an seinen Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 333 E. 1 mit Hinweis). Soweit das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, obliegt es aber der beschwerdeführenden Person darzutun, dass sie erfüllt sind. Dies gilt namentlich für die Beschwerdelegitimation (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 145 I 121 E. 1 mit Hinweisen). 
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend Informationszugang gestützt auf das im kantonalen Recht vorgesehene Öffentlichkeitsprinzip. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG); ein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 ff. BGG ist nicht gegeben.  
 
1.2. Zu prüfen ist die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers. Die Frage stellt sich, da es sich beim beschwerdeführenden Kanton um ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen handelt. Der Regierungsrat beruft sich zu Recht nicht auf das besondere Beschwerderecht nach Art. 89 Abs. 2 BGG. Er macht aber geltend, er sei nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.  
 
1.2.1. Nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Diese Regelung ist auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch ein Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie Privatpersonen oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird, namentlich wenn einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung begründet keine Beschwerdebefugnis im Sinne dieser Regelung. Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel von Art. 89 Abs. 1 BGG sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen (vgl. BGE 147 II 227 E. 2.3.2; 141 II 161 E. 2.1; 138 II 506 E. 2.1.1).  
Besondere Zurückhaltung ist geboten, wenn sich Organe desselben Gemeinwesens gegenüberstehen, namentlich die kantonalen Exekutivbehörden und das kantonale Verwaltungsgericht: Der Vorschlag des Bundesrats, die Kantonsregierungen in gewissen Fällen zur Anfechtung der Entscheide kantonaler Gerichte zu berechtigen, wurde in den Räten gestrichen (BGE 140 V 328 E. 5.2; Urteil 8C_1025/2009 vom 19. August 2010 E. 3.3.4.1). Entscheidend für diese Streichung des Beschwerderechts war dabei der Wille des Gesetzgebers, dass Streitigkeiten zwischen der obersten Exekutivbehörde und der obersten Justizbehörde eines Kantons nicht vom Bundesgericht entschieden werden sollen. Eine kantonale Exekutive, deren Verfügung von der kantonal letztinstanzlichen Justizbehörde aufgehoben wurde, ist daher grundsätzlich nicht befugt, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zur Wiederherstellung ihrer Verfügung zu führen, erst recht nicht, wenn es um die Auslegung und Anwendung von kantonalem Recht geht (zum Ganzen: BGE 141 II 161 E. 2.1 f. mit zahlreichen Hinweisen; Urteile; 9C_759/2023 vom 18. Januar 2024 E. 1.5.4; 1C_43/2021 vom 21. November 2022 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). 
 
1.2.2. Nachdem der Beschwerdeführer durch das angefochtene Urteil offensichtlich nicht wie eine Privatperson betroffen wird, ist nachfolgend einzig zu prüfen, ob das Urteil für ihn eine qualifizierte Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen bewirkt.  
 
1.2.3. Im vorliegenden Fall ersucht der Regierungsrat des Kantons Zug (oberste Exekutivbehörde) das Bundesgericht um Überprüfung eines Entscheids, den das Verwaltungsgericht des Kantons Zug (oberste Justizbehörde) getroffen hat. Der Beschwerdeführer hält dafür, dass die allgemeine Legitimationsklausel gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG im vorliegenden Fall erfüllt sei. Er begründet dies damit, es gehe um die grundlegende staatsrechtliche Frage des Funktionierens von kantonalen Exekutiven, die bei teilweiser oder vollständiger Gutheissung von Zugangsgesuchen nach dem Öffentlichkeitsgesetz zu den Ratsprotokollen im Kern ihres Handelns unmittelbar betroffen seien. Seine Argumentation geht im Wesentlichen dahin, dass der angefochtene Entscheid eine willkürliche Missachtung der ratio legis von § 13 Abs. 2 ÖffG/ZG erkennen lasse. Entsprechend sei eine Präzisierung der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Grundsatzfrage erforderlich, unter welchen Voraussetzungen ein umfangreiches Zugangsgesuch als hinreichend genau formuliert gelte.  
 
1.2.4. Die in der Sache streitige Rechtsfrage ist, was unter einem "hinreichend genau formulierten" Gesuch im Sinne von § 13 Abs. 2 ÖffG/ZG zu verstehen ist. Die Vorinstanz kommt unter Verweisung auf das Urteil des Bundesgerichts 1C_155/2017 vom 17. Juli 2017 zum Schluss, dass auch ein umfangreiches Zugangsgesuch zulässig sei, sofern der Aufwand für dessen Bearbeitung nicht derart gross sei, dass der Geschäftsgang der Behörde über längere Zeit übermässig beeinträchtigt bzw. lahmgelegt würde. Dass sich das vorliegende Gesuch nicht auf einen konkreten Fall beziehe, sondern auf eine eigentliche Datensammlung, stehe einer Herausgabe grundsätzlich nicht entgegen.  
 
1.2.5. Der Beschwerdeführer begründet seine Legitimation nur sehr allgemein und legt nicht hinreichend dar, inwiefern er "im Kern seines Handelns" bzw. wichtigen öffentlichen Interessen erheblich betroffen sein soll, wenn er Einsicht in die Regierungsratsprotokolle des Jahres 2022 gewähren müsste. Dies ist auch nicht ersichtlich. Soweit er die Rüge der missbräuchlichen Auslegung bzw. Anwendung des kantonalen Rechts erhebt, beansprucht er im Grunde nichts anderes als ein allgemeines Interesse an der richtigen Rechtsanwendung. Ein solches verschafft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft kein Beschwerderecht im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG (vgl. E. 1.2.1 hiervor; Urteil 9C_759/2023 vom 18. Januar 2024 E. 1.5.3 und 2.2.6).  
Gemäss erläutertem Urteil der Vorinstanz steht die Einsichtsgewährung "unter Vorbehalt der massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen", d.h. überwiegende Geheimhaltungsinteressen bleiben vorbehalten. Sowohl in Bezug auf den konkreten Einzelfall als auch auf die Präzedenzwirkung für weitere Fälle beschränken sich die Konsequenzen des angefochtenen Entscheids auf die Fragestellung, wie viel Bearbeitungsaufwand dem Regierungsrat zugemutet werden kann. Darin liegt jedoch keine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen bzw. in der Aufgabenerfüllung des Gemeinwesens, zumal der Beschwerdeführer selbst nicht davon auszugehen scheint, das zu beurteilende Einsichtsgesuch verursache einen derart grossen Bearbeitungsaufwand, dass der Geschäftsgang dadurch nahezu lahmgelegt würde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdegegnerin grundsätzlich die Möglichkeit offensteht, weitere Zugangsgesuche einzureichen, und davon auch bereits Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern infolge des angefochtenen Entscheids darüber hinaus die Erfüllung öffentlicher Aufgaben tangiert werden könnte. 
 
1.2.6. Mit Blick auf die geltend gemachten Rügen des Beschwerdeführers wäre im bundesgerichtlichen Verfahren nur die Auslegung kantonalen Rechts - insbesondere § 13 Abs. 2 ÖffG/ZG - zu prüfen. Eine erhebliche Betroffenheit in der Aufgabenerfüllung des Beschwerdeführers ist damit nicht dargetan und vor dem Hintergrund der rechtsprechungsgemäss restriktiv auszulegenden Ausnahme der Beschwerdelegitimation von Gemeinwesen auch nicht erkennbar (vgl. Urteil 1C_43/2021 vom 21. November 2022 E. 1.3.3).  
 
2.  
Nach diesen Erwägungen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführer hat die anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. April 2024 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dillier