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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_213/2024  
 
 
Urteil vom 19. Juni 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Weber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Monsieur Alfred Ngoyi Wa Mwanza, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Rückstufung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des 
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, 
Einzelrichter, vom 11. April 2024 (VB.2024.00106). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1973, Staatsangehörige von Kamerun, reiste als 29-Jährige in die Schweiz ein. Aufgrund ihrer fortgesetzten Verschuldung wurde ihr die Niederlassungsbewilligung am 3. Dezember 2021 widerrufen und eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt, die an Bedingungen geknüpft war. Mit Verfügung vom 12. Juli 2023 wies das Migrationsamt des Kantons Zürich das Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von A.________ unter Ansetzung einer Ausreisefrist bis zum 12. Oktober 2023 ab. 
 
B.  
Den dagegen erhobenen Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich mit Entscheid vom 18. Januar 2024 ab. 
Mit Beschwerde vom 21. Februar 2024 gelangte A.________ dagegen an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Mit Präsidialverfügung vom 5. März 2024 hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die 30-tägige Beschwerdefrist am Mittwoch, 21. Februar 2024, abgelaufen und die Beschwerde gemäss Sendungsverfolgung erstmals am Montag, 26. Februar 2024, bei der Schweizerischen Post erfasst worden sei. Das Verwaltungsgericht setzte A.________ deshalb eine Frist von 10 Tagen an, um die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung nachzuweisen. 
Mit Eingabe vom 8. März 2024 teilte der Rechtsvertreter von A.________ mit, dass er die Beschwerde fristgerecht bei einem "My Post 24"-Automaten eingereicht habe, legte als Nachweis die Kaufquittung des Versandetiketts ins Recht und bot weitere Beweismittel an. Mit Präsidialverfügung vom 18. März 2024 hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die fristgerechte Eingabe noch nicht nachgewiesen sei. Um Letzteres nachzuholen, setzte das Verwaltungsgericht A.________ eine weitere Frist von 10 Tagen. 
Nachdem der Rechtsvertreter von A.________ ein Video und Fotos desselben zu den Akten reichte, ist das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde gegen den Rekursentscheid mit einzelrichterlicher Verfügung vom 11. April 2024 nicht eingetreten, weil sie nicht rechtzeitig erhoben worden sei. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 26. April 2024 beantragt A.________ vor Bundesgericht, die Verfügung des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und Letzteres sei anzuweisen, auf die Beschwerde einzutreten. Eventualiter beantragt A.________ die Rückweisung an das Verwaltungsgericht. 
Mit Verfügung vom 29. April 2024 gewährte die Abteilungspräsidentin der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist mit der Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. April 2024, mit dem die Vorinstanz nicht auf die Beschwerde eingetreten ist, ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, der grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unterliegt (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG; BGE 144 II 184 E. 1.1). Gegen Nichteintretensentscheide ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur zulässig, wenn ein materieller Entscheid mit diesem Rechtsmittel anfechtbar wäre (BGE 137 I 371 E. 1.1; Urteil 2C_988/2022 vom 7. November 2023 E. 1).  
 
1.2. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide betreffend ausländerrechtliche Bewilligungen nur zulässig, wenn das Bundesrecht oder das Völkerrecht einen Anspruch auf die Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Für das Eintreten genügt, wenn die Betroffene in vertretbarer Weise dartun kann, dass ein potenzieller Anspruch auf die beantragte Bewilligung besteht; ob die jeweils erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, bildet Gegenstand der inhaltlichen Beurteilung (vgl. BGE 149 I 72 E. 1.1; 147 I 268 E. 1.2.7). Ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, umfasst die Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen (vgl. BGE 142 V 395 E. 3.1; 134 II 45 E. 2.2.3; Urteil 2C_1002/2022 vom 16. August 2023 E. 1.1). Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 8 EMRK und Art. 50 AIG (SR 142.20). Sie lebt seit rund 20 Jahren in der Schweiz und macht insofern in vertretbarer Weise einen Bewilligungsanspruch gestützt auf das Recht auf Achtung des Privatlebens geltend (Art. 8 EMRK; BGE 147 I 89 E. 1.1.1; 139 I 330 E. 1.1; Urteil 2C_734/2022 vom 3. Mai 2023 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 149 I 207). Daher kann vorliegend offengelassen werden, ob die Beschwerdeführerin einen Anspruch gemäss Art. 50 AIG vertretbar dargelegt hat, was mangels dahingehender Feststellungen der Vorinstanz und angesichts der knappen Beschwerdebegründung fraglich ist. Die Beschwerde wurde zudem unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) formgerecht (Art. 42 BGG) eingereicht und die Beschwerdeführerin ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit einzutreten. Für die zugleich erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde besteht folglich kein Raum (Art. 113 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft die Anwendung von Bundesrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten frei (Art. 95 lit. a und lit. c BGG; BGE 147 I 136 E. 1.4; 141 V 234 E. 2). Die Anwendung von kantonalem Recht - einschliesslich des übrigen kantonalen Verfassungsrechts - kann nur daraufhin geprüft werden, ob sie das übergeordnete Recht und namentlich das Willkürverbot verletzt (Art. 95 BGG; BGE 147 I 136 E. 1.4; 138 I 143 E. 2; 137 V 57 E. 1.3). Die Verletzung des Willkürverbots und anderer verfassungsmässiger Rechte prüft das Bundesgericht aber nur, wenn eine solche Rüge in der Beschwerde ausdrücklich vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 II 369 E. 2; 134 I 83 E. 3.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann nur gerügt oder vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2; 140 III 264 E. 2.3; 139 I 72 E. 9.2.3.6) und setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
3.  
Umstritten ist, ob der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen den Rekursentscheid rechtzeitig erhoben und dies nachgewiesen hat. Dabei ist unbestritten, dass die Beschwerdefrist gemäss kantonalem Verfahrensrecht am 21. Februar 2024 abgelaufen ist und die schweizerische Post die Beschwerde erstmals am 26. Februar 2024 erfasst hat. 
 
3.1. Gemäss § 11 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG/ZH; LS 175.2) müssen schriftliche Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist bei der Behörde eintreffen oder zu deren Handen der schweizerischen Post übergeben sein oder bei einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung eintreffen. Diese Bestimmung entspricht inhaltlich Art. 48 Abs. 1 BGG, weshalb grundsätzlich auf die hierzu ergangene Rechtsprechung abgestellt werden kann (vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2023.00625 vom 29. Februar 2024 E. 3.2). Die rechtsuchende Person trägt gemäss Art. 8 ZGB die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung, die mit Gewissheit feststehen und nicht bloss überwiegend wahrscheinlich sein muss (BGE 142 V 389 E. 2.2). Der Absenderin bzw. dem Absender obliegt somit der Nachweis, dass die Eingabe bis um 24 Uhr des letzten Tages der laufenden Frist der Post übergeben wurde (BGE 147 IV 526 E. 3.1; 142 V 389 E. 2.2). Die Aufgabe am Postschalter, der Einwurf in den Postbriefkasten sowie die Ablage in einem "My Post 24"-Automaten sind einander gleichgestellt (vgl. BGE 142 V 389 E. 2.2; Urteil 5A_972/2018 vom 5. Februar 2019 E. 4.2). Es wird vermutet, dass das Datum des Poststempels mit demjenigen der Übergabe an die Post übereinstimmt. Wer behauptet, einen Brief schon am Vortag seiner Abstempelung in einen Postbriefkasten eingeworfen zu haben, hat das Recht, die sich aus dem Poststempel ergebende Vermutung verspäteter Postaufgabe mit allen tauglichen Beweismitteln zu widerlegen (BGE 147 IV 526 E. 3.1; 142 V 389 E. 2.2). Der Zeitpunkt der Postaufgabe kann unter anderem mit einem Zeugenbeweis, einem Videobeweis oder einer Quittung eines "My Post 24"-Automaten nachgewiesen werden (vgl. BGE 147 IV 526 E. 3.5; 142 V 389 E. 2.2; Urteil 4A_466/2022 vom 10. Februar 2023 E. 2).  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich erstellt (Art. 9 BV) und in diesem Zusammenhang den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Vorinstanz ging davon aus, dass die vom Rechtsvertreter vorgebrachten Beweismittel die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung nicht belegen würden. Namentlich beweise der Kauf eines Versandetiketts nicht, dass die Sendung fristgerecht übergeben worden sei. Zudem sei auf dem nicht datierten Video ein dunkelgrüner Briefkasten mit der Aufschrift "für das Postamt" ersichtlich, sodass die rechtzeitige Übergabe an die schweizerische Post auch damit nicht nachgewiesen sei.  
 
3.3. Weshalb diese vorinstanzlichen Feststellungen willkürlich oder offensichtlich unrichtig sein sollten, legt die Beschwerdeführerin nicht schlüssig dar und ist denn auch nicht ersichtlich. Die Ausführungen des Rechtsvertreters beschränken sich im Wesentlichen darauf, der Auffassung der Vorinstanz die eigene Sicht gegenüberzustellen und deshalb weitere Abklärungen zu verlangen. Dabei scheint der Rechtsvertreter weiterhin zu übersehen, dass der Kauf eines Versandetiketts - im Unterschied zu einer Versandbestätigung - keine Auskunft über den Zeitpunkt der Ablage in einem "My Post 24"-Automaten gibt. Zudem führt er nicht plausibel aus, weshalb der von ihm benutzte Automat statt der üblichen Fächer einen grünen Briefkasten mit der genannten Aufschrift umfassen sollte. Vor dem Hintergrund dieser Beweislage war die Vorinstanz nicht gehalten, weitere Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen, nachdem sie der Beschwerdeführerin zweimalig eine Nachfrist angesetzt hatte, um die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung zu belegen (vgl. Sachverhalt B.). Diesbezüglich ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf das Angebot des Rechtsvertreters nicht eingegangen ist, das Video auf seinem eigenen Gerät vorzuführen. Selbst wenn diesfalls Datum und Uhrzeit des Videos hätten nachvollzogen werden können, ist angesichts der Farbe und der Aufschrift des abgebildeten Briefkastens (vgl. hiervor E. 3.2) nicht ersichtlich, inwiefern damit die Übergabe an die schweizerische Post hätte belegt werden können. Die Vorinstanz konnte folglich willkürfrei davon ausgehen, dass die Sichtung des Videos das Beweisergebnis nicht geändert hätte, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ausschliesst (vgl. BGE 145 I 167 E. 4.1; 144 II 427 E. 3.1.3). Soweit der Rechtsvertreter überdies auf Art. 6 EMRK hinweist, ist die Beschwerde nicht hinreichend begründet (vgl. vorne E. 2.1), zumal keine zivilrechtliche Streitigkeit zugrunde liegt (vgl. BGE 147 I 149 E. 3.1; 137 I 128 E. 4.4.2; Urteil 2C_107/2023 vom 25. September 2023 E. 1.3.4).  
 
3.4. Angesichts der sachverhaltlichen Feststellungen der Vorinstanz ist ihre Würdigung, wonach die Beschwerde nicht rechtzeitig erhoben worden ist, bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Für eine Rückweisung an die Vorinstanz besteht keine Veranlassung.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde erweist sich folglich als unbegründet und ist abzuweisen.  
 
4.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend trägt die unterliegende Beschwerdeführerin die umständehalber reduzierten Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. 
 
2.  
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Juni 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: F. Weber