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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_332/2024  
 
 
Urteil vom 30. Mai 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Hartmann, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Therese Hintermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegnerin, 
 
C.________, c/o D.________, Beiständin, Regionaler Sozialdienst Roggwil und Umgebung, Hofmattenweg 3, 4914 Roggwil BE. 
 
Gegenstand 
Anordnung eines Gutachtens, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 22. April 2024 (KES 24 202). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Parteien sind die getrennt lebenden Eltern einer im Juli 2015 geborenen und unter ihrer alternierenden Obhut stehenden Tochter, für welche im Übrigen eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 ZGB besteht. 
 
B.  
Mit verfahrensleitendendem Entscheid vom 26. Februar 2024 ordnete die KESB Oberaargau ein Fachgutachten an. 
Dagegen erhob der Vater beim Obergericht des Kantons Bern eine Beschwerde mit dem Anliegen, auf die Anordnung eines Erziehungsfähigkeitsgutachtens sei zu verzichten. Während des hängigen Beschwerdeverfahrens musste die KESB am 26. März 2024 den Parteien superprovisorisch das Aufenhaltsbestimmungsrecht entziehen und das Kind superprovisorisch in einer Pflegefamilie unterbringen. Mit Entscheid vom 22. April 2024 trat das Obergericht auf die gegen die Anordnung eines Fachgutachtens erhobene Beschwerde nicht ein. 
 
C.  
Gegen diesen Entscheid hat der Vater am 23. Mai 2024 beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht mit dem Begehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. Ferner verlangt er im bundesgerichtlichen Verfahren die Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
Es wurde beim Obergericht der KESB-Entscheid vom 26. Februar 2024 und die kantonale Beschwerde angefordert. Auf die Einholung von Vernehmlassungen kann verzichtet werden, weil das Verfahren spruchreif ist. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über ein von der KESB in Auftrag gegebenes Gutachten (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 und Art. 75 Abs. 1 BGG). Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der nur unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG beim Bundesgericht angefochten werden kann, wobei diese in der Beschwerde darzutun sind (BGE 137 III 324 E. 1.1; 141 III 80 E. 1.2). Der Beschwerdeführer äussert sich nicht zu den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG. Allerdings waren die identischen Voraussetzungen von Art. 61 Abs. 3 VRPG/BE bereits Gegenstand des kantonalen Verfahrens und diese bilden den Anfechtungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Ob die betreffenden Ausführungen mutatis mutandis zugleich als Begründung in Bezug auf die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG gelten können, muss nicht abschliessend beurteilt werden, weil die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann (dazu E. 3). 
Im Kontext mit den Beschwerdegründen ist zu beachten, dass im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes aufgrund des zuteilenden Vorbehaltes in Art. 450f ZGB das Verfahrensrecht weitestgehend kantonal geregelt ist und das Bundesgericht kantonales Recht nicht frei, sondern nur auf Verfassungsverletzungen hin überprüfen kann, wobei die Rüge der willkürlichen Anwendung der massgeblichen kantonalen Normen im Vordergrund steht (BGE 140 III 385 E. 2.3). Vorausgesetzt sind mithin dem strengen Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG gerecht werdende Verfassungsrügen, insbesondere substanziierte Willkürrügen. 
 
2.  
Vorliegend hat das Obergericht aufgrund von Art. 450f ZGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. d und Art. 65 ff. und Art. 72 KESG/BE das kantonale Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRPG/BE) als anwendbar erklärt und für die Frage des nicht wieder gutzumachenden Nachteils auf Art. 61 Abs. 3 lit. b VRPG/BE abgestellt. Sodann hat es erwogen, dass etwa die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, namentlich gemäss Urteil 5A_655/2013 vom 29. Oktober 2013 E. 2.3, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könne, weil diese geeignet sei, die Grund- und Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu beeinträchtigen; hingegen liege nach der konstanten obergerichtlichen Rechtsprechung für die Eltern kein solcher Nachteil vor, wenn ein Erziehungsfähigkeitsgutachten in Auftrag gegeben werde, denn es gehe bei diesem in erster Linie um die Gesundheit, den aktuellen Entwicklungsstand und das Wohlbefinden des Kindes sowie um dessen Beziehung zu den Eltern. Spezifisch in Bezug auf die Beschwerdevorbringen hat es sodann erwogen, erst die Abklärungsergebnisse, zu denen sich der Beschwerdeführer werde äussern können, würden die Grundlage des weiteren Vorgehens bilden und durch die angeordneten Abklärungen als solche entstehe deshalb kein nicht wiedergutzumachender Nachteil. Sodann sei auch nicht ersichtlich, inwiefern die konkrete Beauftragung der beiden Gutachterinnen zu einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil führen solle; diese seien dem Beschwerdeführer seit dem 14. Juni 2023 bekannt und er habe in den Stellungnahmen vom 21. August 2023, vom 11. September 2023 und vom 31. Januar 2024 nie irgendwelche Gründe gegen diese vorgebracht. 
 
3.  
Vorab ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer nirgends zu Art. 61 Abs. 3 lit. b VRPG/BGE äussert und schon gar nicht darlegt, inwiefern diese Bestimmung willkürlich angewandt worden sein könnte. Bereits daran scheitert die Beschwerde. 
Der Beschwerdeführer behauptet vielmehr einzig eine Verletzung der persönlichen Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV. Er macht geltend, bei einem Erziehungsfähigkeitsgutachten werde die Persönlichkeit der Eltern eingeschätzt und rigoros beurteilt. Dabei sei jeweils von "narzisstischen, zwangshaft anmutenden und akzentuierten Persönlichkeitszügen" und von "unterschwelliger Aggression" zu lesen, wie etwa im seinerzeitigen Gutachten vom 7. Mai 2015. Es sei wahrscheinlich, dass solche Aussagen auch im vorliegend angeordneten Gutachten erfolgen würden, zumal im obergerichtlichen Entscheid in Bezug auf seine Person von einem "höchst problematischen, renitenten und unkooperativen Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber Behörden, Fachpersonen und Mitbeteiligten" die Rede sei. Mithin stehe bei der Begutachtung nicht primär das Kind im Fokus, sondern die Persönlichkeit der Eltern. Entsprechend werde unwiderruflich in das Grundrecht der persönlichen Freiheit eingegriffen, was einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bedeute. 
Mit Art. 10 Abs. 2 BV macht der Beschwerdeführer zwar eine Verfassungsverletzung geltend. Indes läuft sein Vorbringen darauf hinaus, dass die Anordnung eines Erziehungsfähigkeitsgutachtens unabhängig von der konkreten Situation generell unstatthaft wäre, weil bei einem solchen zwangsläufig Grundrechte der Eltern tangiert sind. Dabei übersieht er, dass für die Anordnung eines Erziehungsfähigkeitsgutachtens (abgesehen vom vorliegend zur Anwendung gelangenden kantonalen Prozessrecht) mit Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 446 Abs. 2 ZGB bereits von Bundesrechts wegen eine gesetzliche Grundlage für die Einschränkung von Grundrechten im Sinn von Art. 36 Abs. 1 BV und im Übrigen gestützt auf Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 448 Abs. 1 ZGB auch eine Mitwirkungspflicht der Eltern bei der Erstellung des Gutachtens besteht. Vor diesem Hintergrund gehen die Ausführungen an der Sache vorbei und bleibt die Verfassungsrüge somit unsubstanziiert, denn im Weiteren begründet der Beschwerdeführer seine Rüge ausschliesslich mit dem (möglicherweise durchaus zutreffenden) Vorbringen, er werde im Gutachten nicht nur Schmeichelhaftes zu lesen bekommen. Darin liegt aber kein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinn von Art. 61 Abs. 3 lit. b VRPG/BE. 
In Bezug auf die weitere obergerichtliche Erwägung, der Beschwerdeführer habe nie etwas gegen die ihm seit langem bekannten Gutachterinnen vorgebracht, hält der Beschwerdeführer fest, er habe am 5. März 2024 gegen diese ein Ausstandsbegehren gestellt, auf welches die KESB nicht eingetreten sei und wogegen er beim Obergericht eine separate, dort noch hängige Beschwerde erhoben habe. Allerdings leitet er daraus nichts in Bezug auf den angefochtenen Entscheid ab, sondern einzig, dass auch die Akten jenes Verfahrens beizuziehen seien. 
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache wird der Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. 
 
5.  
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Beiständin des Kindes, der KESB Oberaargau und dem Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. Mai 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli