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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_701/2023  
 
 
Urteil vom 21. August 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, Muschietti, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Gewerbsmässiger Diebstahl, gewerbsmässiger Betrug; Landesverweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 8. März 2023 (4M 22 67). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Kantonsgericht des Kantons Luzern verurteilte den Beschwerdeführer am 8. März 2023 wegen gewerbsmässigen Diebstahls und gewerbsmässigen Betrugs zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten, deren Vollzug es im Umfang von einem Jahr und elf Monaten unter Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren aufschob. Ferner verwies es ihn für die Dauer von acht Jahren des Landes und ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) an. 
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. 
 
2.  
Eine Beschwerde an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids einzureichen (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdefrist endete vorliegend am 25. Mai 2023, womit sich die zusätzliche Eingabe des Beschwerdeführers datierend vom 6. Juli 2023 mit Poststempel vom 12. Juli 2023 als verspätet erweist und für die Beurteilung der Beschwerde unbeachtlich ist. Zudem handelt es sich bei der eingereichten Stellungnahme vom 10. Juli 2023 um ein unzulässiges echtes Novum (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 148 IV 362 E. 1.8.2 mit Hinweisen). Soweit sich der Beschwerdeführer in seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege vom 5. Juni 2023 zur Sache äussert, ist darauf infolge Verspätung ebenfalls nicht einzugehen. 
 
3.  
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Beschwerde an das Bundesgericht ein Begehren und deren Begründung zu enthalten. In der Beschwerdebegründung ist laut Art. 42 Abs. 2 BGG in gedrängter Form unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid darzulegen, inwiefern dieser Recht verletzt. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die beschwerdeführende Partei mit ihrer Kritik bei den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 146 IV 297 E. 1.2). Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür; vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). 
 
4.  
 
4.1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzlichen Schuldsprüche wendet und vorbringt, er sei wegen Diebstahls nach Art. 139 Ziff. 1 StGB und geringfügigen Diebstahls nach Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 172ter StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen sowie einer Busse von Fr. 500.-- zu verurteilen, beschränkt er sich darauf, unter Hinweis auf den Grundsatz "in dubio pro reo" zu behaupten, dass es keine hinreichenden Beweise für die ihm vorgeworfenen Straftaten gebe, ohne jedoch auf die vorinstanzlichen Erwägungen einzugehen. Dass und weshalb das vorinstanzliche Urteil verfassungs- oder rechtswidrig sein und damit gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen soll, vermag der Beschwerdeführer damit - selbst unter Anwendung des bei Laienbeschwerden praxisgemäss grosszügigen Massstabs (vgl. Urteile 6B_737/2023 vom 19. Juni 2023 E. 5; 6B_1123/2022 vom 26. Januar 2023 E. 3.3) - nicht hinreichend darzulegen. Die Beschwerde erfüllt in diesem Punkt die gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht.  
 
4.2. Gleiches gilt bezüglich seines sinngemässen Begehrens, es sei eine Neubeurteilung seines psychischen Gesundheitszustands vorzunehmen. Die Vorinstanz setzt sich in ihrem Urteil mit der Kritik des Beschwerdeführers an den gerichtlichen Gutachten auseinander und legt dar, weshalb sie gestützt darauf und in Abweichung der Einschätzung des den Beschwerdeführer behandelnden Psychotherapeuten zum Schluss gelangt, dass beim Beschwerdeführer keine psychische Störung mit Krankheitswert und keine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit vorliegt. Dabei geht die Vorinstanz auch ausführlich auf das vor Bundesgericht erneut vorgebrachte Argument ein, wonach sich die diagnostischen Leitlinien des Diagnostikmanuals ICD-11 im Vergleich zu der älteren Version ICD-10 in einem vorliegend relevanten Bereich geändert haben, weshalb sein psychischer Gesundheitszustand erneut zu beurteilen sei. Zusammengefasst zeigt die Vorinstanz anhand der gutachterlichen Ausführungen auf, dass deren Einschätzung auch in Berücksichtigung der diagnostischen Leitlinien des ICD-11 Bestand haben (Urteil S. 31 f.). Da der Beschwerdeführer mit keinem Wort auf die vorinstanzlichen Ausführungen eingeht und nicht darlegt, dass bzw. inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfällt oder Bundesrecht verletzt, kann auf die Beschwerde auch in diesem Punkt mangels hinreichender Begründung nicht eingetreten werden.  
 
4.3.  
 
4.3.1. Auch bezüglich des Antrags, es sei mangels Anlasstat und wegen Vorliegens eines schweren persönlichen Härtefalls von der Landesverweisung abzusehen, vermag die Beschwerde den (qualifizierten) Begründungsanforderungen nicht zu genügen. Wiederum beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, dem Bundesgericht seine Sicht der Dinge zu unterbreiten, ohne dabei indes Bezug auf die vorinstanzlichen Urteilserwägungen zu nehmen, geschweige denn sich damit in einer den Formerfordernissen genügenden Weise auseinanderzusetzen, um anhand dieser darzulegen, dass und weshalb die Vorinstanz bei der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen wäre oder bei der Würdigung des von ihr festgestellten Sachverhalts Recht verletzt hätte.  
 
4.3.2. Selbst wenn die Beschwerde in diesem Punkt hinreichend begründet und mit dem Beschwerdeführer von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen wäre, wäre die ausgesprochene Landesverweisung nicht zu beanstanden, da die Vorinstanz zutreffend festhält, dass das öffentliche Interesse an einer Landesverweisung das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz überwiegt, wozu sich dieser nicht äussert. Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Landesverweisung wie auch deren Anwendung auf den konkreten Fall kann grundsätzlich auf die Begründung der Vorinstanz verwiesen werden (Urteil S. 48 ff.).  
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und verfügt in der Schweiz über keinen Aufenthaltstitel. Beim gewerbsmässigen Diebstahl handelt es sich um eine Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB, welche obligatorisch eine Landesverweisung von 5 - 15 Jahren nach sich zieht. Diesbezüglich ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass der Beschwerdeführer mehrfach und in schwerwiegender Weise gegen die Rechtsordnung der Schweiz verstossen hat, indem er über einen Zeitraum von zirka fünf Jahren massenhaft fremde Ware im geschätzten Wert von Fr. 100'000.-- aus diversen Geschäften entwendete, diese in seinem Keller lagerte und sie für den Weiterverkauf vorbereitete (Urteil S. 23 f.). Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz betreffend (Laden-) Diebstähle angesichts der intensiven Delinquenz des Beschwerdeführers von einer erhöhten Rückfallgefahr ausgeht und festhält, angesichts der auszufällenden Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten - wovon zwei Jahre und sechs Monate als Einsatzstrafe auf den als Anlasstat geltenden gewerbsmässigen Diebstahl entfielen - könne nicht mehr von einer Bagatelle gesprochen werden (Urteil S. 52 f.). Damit besteht ein deutliches öffentliches Interesse an der Landesverweisung des Beschwerdeführers. 
Demgegenüber bezeichnet die Vorinstanz das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz zutreffend als gering. Wie sie zu Recht festhält, besteht dieses im Wesentlichen darin, dass er mehrere Jahre in der Schweiz gelebt und hier eine Familie mit Kindern gegründet hat. Gestützt auf die verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer weder bei der Kinderbetreuung noch in finanzieller Hinsicht in relevanter Weise am Familienleben beteiligt, sondern die meiste Zeit in seinem Zimmer oder ausserhalb der Wohnung verbringt, wobei sich seine Frau um die Kinder und den Haushalt kümmert sowie arbeitet. Daraus schliesst die Vorinstanz zutreffend, dass mit Ausnahme des Umstands, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie zusammen wohnt, ein tatsächlich gelebtes Familienleben im Wesentlichen nicht erkennbar ist (Urteil S. 52). Angesichts dieser eher losen Beziehung und in Berücksichtigung des Alters seiner Kinder könnte der Beschwerdeführer im Falle einer Landesverweisung den Kontakt zu seinen Familienangehörigen mittels Besuchen oder durch moderne Kommunikationsmittel aufrecht erhalten. Soweit er geltend macht, er kümmere sich jeweils morgens um die Kinder, wenn seine Ehefrau um 05.00 Uhr zur Arbeit gehe, ist davon auszugehen, dass es der Ehefrau gelingen dürfte, sich anders zu organisieren. Jedenfalls steht dieser Umstand einer Landesverweisung nicht entgegen. Indem der Beschwerdeführer sinngemäss sein Interesse am Verbleib in der Schweiz damit begründet, dass er psychisch krank sei, weicht er von den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ab, wonach er keine psychische Störung mit Krankheitswert habe (vgl. E. 4.2 hiervor). 
Die Vorinstanz hält weiter fest, der Beschwerdeführer habe die prägenden Kinder- und Jugendjahre sowie seine Schulbildung in der Türkei verbracht, wo er auch sozialisiert worden sei. Er spreche türkisch und sei mit der Türkei als seiner Heimat und der dortigen Kultur vertraut. Er habe einen Grossteil seiner Familie in der Türkei, besuche diese regelmässig und telefoniere täglich mit den Verwandten und Bekannten in der Türkei. Demgegenüber habe er mit den Verwandten, die hier in der Schweiz lebten, nicht viel oder keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer spreche trotz seiner langjährigen Anwesenheit nur schlecht Deutsch und habe in der Schweiz mit Ausnahme seiner Familie im Wesentlichen keine sozialen Kontakte. Er und seine Familie seien bis anhin mehrheitlich vom Sozialamt finanziert worden. Nach Lage der Akten habe der Beschwerdeführer zuletzt von April 2001 bis November 2002 gearbeitet (Urteil S. 51). Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz gestützt auf diese tatsächlichen Feststellungen davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz weder beruflich noch sozial integriert ist und seine Wiedereingliederung in der Türkei dank seinen dortigen familiären sowie freundschaftlichen Kontakten und der türkischen Sprachkenntnisse leichter fallen dürfte als in der Schweiz (vgl. Urteil S. 51 und S. 53). Dass seine Integration in der Türkei aufgrund des Erdbebens vom 6. Februar 2023 schwieriger werden dürfte, bringt der Beschwerdeführer soweit ersichtlich erstmals vor Bundesgericht vor, ohne jedoch darzulegen, inwiefern erst das vorinstanzliche Urteil Anlass dazu gegeben haben soll. Dies ist denn auch nicht ersichtlich, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 148 IV 362 E. 1.8.2). 
 
4.3.3. Zusammenfassend ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zum Schluss gelangt, dass das öffentliche Interesse an der Landesverweisung des Beschwerdeführers dessen privates Interesse am Verbleib in der Schweiz deutlich überwiegt. Dabei wird nicht übersehen, dass die Landesverweisung für den Beschwerdeführer eine gewisse Härte bedeutet. Diese geht aber nicht über das Mass hinaus, das der Verfassungs- und Gesetzgeber mit der Einführung der obligatorischen Landesverweisung in Kauf nahm oder sogar wollte. Da der Beschwerdeführer die Dauer der Landesverweisung und die Ausschreibung im SIS nicht kritisiert, ist darauf nicht einzugehen.  
 
5.  
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG als unbegründet abzuweisen, soweit sie überhaupt die Begründungsanforderungen erfüllt und darauf eingetreten werden kann. 
Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). In Berücksichtigung seiner finanziellen Lage und des relativ geringen Aufwands ist eine reduzierte Entscheidgebühr angemessen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen um die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsanwalts ersucht, ist darauf hinzuweisen, dass es im bundesgerichtlichen Verfahren grundsätzlich an der rechtsuchenden Partei liegt, sich einen Anwalt zu organisieren. Das BGG kennt die notwendige Verteidigung nicht. Der Umstand, dass die Beschwerde den gesetzlichen Begründungsanforderungen weitgehend nicht entspricht, begründet keine Unfähigkeit zur Prozessführung im Sinne von Art. 41 BGG (vgl. Urteile 6B_251/2023 vom 5. Mai 2023 E. 4; 6F_3/2023 vom 22. März 2023 E. 4.2 mit Hinweisen). Inwiefern sich das vorinstanzliche Urteil mit formgerechten Rügen erfolgreich anfechten liesse, ist nicht erkennbar. Damit fällt auch die Beigabe eines (unentgeltlichen) Rechtsanwalts nach Art. 64 Abs. 2 BGG wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde ausser Betracht. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. August 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres