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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_83/2024  
 
 
Urteil vom 8. Mai 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Moser-Szeless, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Bögli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse Zug, 
Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 12. Dezember 2023 (S 2022 120). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ war Geschäftsführer der B.________ GmbH, welche als beitragspflichtige Arbeitgeberin der Ausgleichskasse Zug angeschlossen war. Am xxx wurde über die B.________ GmbH der Konkurs eröffnet; das Konkursverfahren wurde am xxx mangels Aktiven eingestellt. Mit Verfügung vom 28. September 2020 verpflichtete die Ausgleichskasse Zug A.________ zur Bezahlung von Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von Fr. 81'934.25 für die Beitragsjahre 2015 bis 2018; sie bestätigte dies mit Einspracheentscheid vom 26. August 2022. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Urteil vom 12. Dezember 2023 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragen. Es sei festzustellen, dass die Schadenersatzforderung verjährt, eventualiter teilweise verjährt und er nicht zur Bezahlung von Schadenersatz bezüglich der nicht entrichteten Lohnbeiträge der Subunternehmer verpflichtet sei. Eventualiter sei die Sache zur Neuberechnung und Neubegründung der Forderung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
 
1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung oder Beweiswürdigung ist offensichtlich unrichtig, wenn sie sich als willkürlich erweist. Bei der Beweiswürdigung ist das der Fall, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat. Noch keine offensichtliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als plausibler erscheint. Sachverhaltsrügen sind auf Grund des strengen Rügeprinzips klar und detailliert in der Beschwerdeschrift aufzuzeigen. Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid ist nicht einzugehen (BGE 144 V 50 E. 4.2; Urteile 9C_415/2022 vom 14. November 2022 E. 1.2; 9C_752/2018 vom 12. April 2019 E. 1.2).  
 
1.3. Ein Rechtsmittel hat gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dabei ist konkret auf die für das Ergebnis des betreffenden Entscheids massgeblichen Erwägungen einzugehen und im Einzelnen aufzuzeigen, welche Vorschriften und weshalb sie von der Vorinstanz verletzt worden sein sollen (BGE 140 III 115 E. 2). Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Genügt die Beschwerdeschrift diesen Begründungsanforderungen nicht, so ist darauf nicht einzutreten. Zwar wendet das Bundesgericht das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG); dies setzt aber voraus, dass auf die Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann, diese also wenigstens die minimalen Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt (BGE 145 I 26 E. 1.3; 140 III 264 E. 2.3).  
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie eine Pflicht des Beschwerdeführers zur Leistung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 81'934.25 bejahte. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die B.________ GmbH wirtschaftlich selbstständige Subunternehmer oder unselbstständigerwerbende Angestellte beigezogen hat. 
 
 
3.  
Im angefochtenen Urteil werden die Grundlagen der Arbeitgeberhaftung (Art. 52 AHVG; Art. 14 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV [SR 831.101]) und die dazu ergangene Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Voraussetzungen der subsidiären Haftung der Organe eines Arbeitgebers (Schaden, Widerrechtlichkeit, Verschulden und adäquater Kausalzusammenhang zwischen vorwerfbarem Verhalten und eingetretenem Schaden). Auch die Rechtsgrundlagen und die Rechtsprechung zur Unterscheidung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 AHVV) hat das Verwaltungsgericht richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Der Beizug von Subunternehmern sei wirtschaftlich begründet gewesen, was jedoch nicht in die Erwägungen der Vorinstanz eingeflossen sei. Auch die pauschale Rechnungsstellung sowie die Bezahlung von Mehrwertsteuern habe das kantonale Gericht zu Unrecht nicht berücksichtigt.  
 
4.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 149 I 91 E. 3.2; 137 I 195 E. 2.2 mit Hinweis). Er verlangt, dass die Justizbehörde die Vorbringen der Parteien auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt; daraus folgt insbesondere die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid ausreichend und nachvollziehbar zu begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1 mit Hinweisen).  
 
 
4.3. Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner Urteilsbegründung sowohl mit der (teilweise) pauschalen Rechnungsstellung durch die B.________ GmbH als auch mit der für die Aufträge bezahlten Mehrwertsteuer auseinandergesetzt. Das angefochtene Urteil ist ausführlich begründet, auch wenn die Vorinstanz nicht im Detail auf jedes Vorbringen des Beschwerdeführers einging, was jedoch - wie dargelegt - nicht erforderlich ist (E. 4.2 hiervor). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht zu erkennen.  
 
5.  
 
5.1. Weiter rügt der Beschwerdeführer eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts unter Verletzung der Untersuchungsmaxime gemäss Art. 43 ATSG. Die Beschwerdegegnerin habe die Machenschaften von C.________, dem Geschäftsführer der als Subunternehmen beigezogenen und mittlerweile konkursiten D.________ GmbH, E.________ GmbH, F.________ GmbH und G.________ GmbH, unzureichend abgeklärt und damit faktisch auf die Hauptforderung gegenüber den eigentlich leistungspflichtigen Unternehmen resp. deren Organe verzichtet. Ein Strafverfahren gegen C.________ hätte Klarheit darüber gebracht, ob der Beschwerdeführer Kenntnis davon gehabt habe, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet wurden. Es seien auch keine Untersuchungen darüber durchgeführt worden, ob zwischen dem Beschwerdeführer und C.________ eine Absprache bestanden habe; es werde ohne Beweise angenommen, dass eine Zusammenarbeit bestanden habe, um die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden. Er, der Beschwerdeführer, habe keinen Einfluss auf die Aussagen von C.________ gehabt, jedoch sei diesem geglaubt worden und ihm nicht. Hätte er die Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen umgehen wollen, so hätte er die Zahlungen an die Unternehmen von C.________ nicht verbucht, sondern die Arbeiter direkt bezahlt.  
 
5.2. Der Beschwerdeführer macht zwar eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz geltend, richtet seine Vorwürfe jedoch fast ausschliesslich an die Beschwerdegegnerin. Mit den entsprechenden Erwägungen des kantonalen Gerichts (eine Einvernahme von C.________ sei aufgrund unbekannten Aufenthalts unmöglich; auffällig sei, dass C.________ später Geschäftsführer der B.________ GmbH geworden sei; Barzahlung unter juristischen Personen sei in den Jahren 2015 bis 2018 auch auf dem Bau unüblich gewesen) setzt er sich nicht auseinander. Insbesondere legt er nicht dar, inwiefern allfällige Versäumnisse in der Sachverhaltsabklärung in anderen Verfahren (Konkursverfahren D.________ GmbH, E.________ GmbH, F.________ GmbH, G.________ GmbH) dem Verwaltungsgericht vorzuwerfen sein sollten. Im Übrigen wird ihm im angefochtenen Urteil nicht unterstellt, er habe Abreden mit C.________ getroffen, hält die Vorinstanz doch fest, er habe die Beitragspflicht nicht ausreichend abgeklärt und hätte nicht auf das Einhalten der Werkverträge vertrauen dürfen.  
 
6.  
 
6.1. Ferner führt der Beschwerdeführer aus, in Bezug auf die vorliegend umstrittene Schadenersatzforderung sei die Verjährung eingetreten. Die Beschwerdegegnerin hätte spätestens im Dezember 2017 Kenntnis von den Ungereimtheiten in den von C.________ geführten Unternehmen haben können, womit die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Die Schadenersatzsumme reduziere sich daher auf den Betrag von Fr. 37'049.-.  
 
6.2. Die Vorinstanz hält hierzu fest, der Schaden sei erst mit der am 12. März 2020 durchgeführten Revision bei der B.________ GmbH erkennbar gewesen, da erst dann ersichtlich worden sei, an welche Gesellschaften Barzahlungen geflossen seien.  
 
6.3. Der Beschwerdeführer wiederholt in Bezug auf die Verjährung lediglich seine Argumentation in der Beschwerde an das kantonale Gericht. Mit der entsprechenden - im Übrigen überzeugenden - Begründung im angefochtenen Urteil setzt er sich nicht auseinander. Insofern genügt die Beschwerdeschrift bezüglich der Verjährung schon den Mindestanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht (vgl. BGE 145 V 161 E. 5.2 mit Hinweisen) und ist demnach nicht weiter darauf einzugehen.  
 
7.  
 
7.1. Das kantonale Gericht erwog im angefochtenen Urteil in tatsächlicher Hinsicht, die in Frage stehenden Barzahlungen seien nicht an selbstständigerwerbende Subunternehmen, sondern an natürliche Personen gegangen, welche für die B.________ GmbH in unselbstständiger Tätigkeit Arbeit ausgeführt hätten. Es sei davon auszugehen, dass die Rechtsform der GmbH aus versicherungsrechtlichen Motiven dazu gedient habe, Beiträge einzusparen; die Gesellschaften hätten - zumindest im Verhältnis zur B.________ GmbH - keine eigentliche unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Folglich seien die Barzahlungen als beitragspflichtige Lohnzahlungen zu qualifizieren, womit die beitragspflichtige Lohnsumme um Fr. 447'052.- höher liege, als mittels Selbstangaben deklariert worden sei.  
 
7.2. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese tatsächlichen Feststellungen auf appellatorische Weise als nicht zutreffend und stellt ihnen seine eigene Sachverhaltseinschätzung entgegen, ohne darzulegen, inwiefern das Verwaltungsgericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt oder die gesamten Umstände willkürlich gewürdigt haben sollte. Insbesondere setzt er sich nicht mit den ausführlichen Erwägungen zur Unterscheidung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit auseinander. Diesbezüglich ist demnach nicht weiter auf die Argumentation einzugehen (vgl. E. 1.2 hiervor).  
 
8.  
Der Beschwerdeführer legt zu den vorinstanzlichen Ausführungen bezüglich der Widerrechtlichkeit, dem Verschulden und dem Kausalzusammenhang lediglich dar, er habe davon ausgehen dürfen, dass die Sozialversicherungsbeiträge in den Barzahlungen enthalten gewesen seien, weshalb er nicht grobfahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt habe. Die Begründung des kantonalen Gerichts, er hätte an der Einhaltung der Werkverträge durch C.________ zweifeln und sich bei der Beschwerdegegnerin nach einer allfälligen Beitragspflicht erkundigen müssen, bestreitet er lediglich pauschal, ohne sich vertieft damit auseinanderzusetzen. Dies vermag der Rügepflicht nicht zu genügen (vgl. E. 1.3 hiervor). Ebensowenig setzt er sich mit der vom Verwaltungsgericht festgehaltenen Schadenhöhe von Fr. 81'934.25 auseinander. Das angefochtene Urteil ist diesbezüglich demnach nicht zu prüfen. 
 
9.  
Zusammenfassend hat das Verwaltungsgericht kein Bundesrecht verletzt, indem es den Beschwerdeführer zur Bezahlung von Schadenersatz für entgangene Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von Fr. 81'934.25 für die Beitragsjahre 2015 bis 2018 verpflichtet hat. 
 
10.  
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. Mai 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Moser-Szeless 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bögli